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Quo Vadis

Quo Vadis

Titel: Quo Vadis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henryk Sienkiewicz
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zugesprochen, folglich brauchte er nicht nach ihrem früheren Stande zu fragen. Er würde sie finden, selbst wenn sie unter der Erde steckte, und dann wolle er nach Belieben mit ihr verfahren. Gewiß! Sie solle seine Konkubine werden. Er wolle sie so oft peitschen lassen, als es ihm gefiele, und, wenn er einmal ihrer überdrüssig wäre, sie dem Geringsten seiner Sklaven geben oder auf einem seiner Güter in Afrika eine Handmühle treiben lassen. Er wolle nun nach ihr suchen und, wenn er sie gefunden habe, sie mit Füßen treten.
    Er wurde immer rasender und verlor jedes Maß, so daß selbst Acte erkannte, daß er mehr drohte, als ihm auszuführen möglich war, daß er aus Wut und Schmerz so sprach. Sie hätte ihn vielleicht bedauern können; doch seine Übertreibung erschöpfte ihre Geduld, und sie fragte schließlich, weshalb er zu ihr gekommen sei.
    Vinicius konnte nicht gleich antworten. Er sei gekommen, um mit ihr zu sprechen, weil er glaubte, etwas zu erfahren; eigentlich habe er zum Cäsar gehen wollen, und da er diesen nicht sprechen konnte, habe er nach ihr gefragt. Durch die Flucht habe sich Lygia Neros Willen widersetzt, darum wolle er ihn bitten, nach ihr in der Stadt und im ganzen Reiche suchen zu lassen, sollten dabei auch sämtliche Legionen aufgeboten werden müssen. Petronius würde seine Bitte unterstützen, und heute noch sollte das Suchen beginnen.
    „Hab acht“, antwortete Acte, „daß du sie nicht findest, um sie auf des Cäsars Befehl für immer zu verlieren.“
    „Was willst du damit sagen?“
    „Höre, Marcus. Gestern war ich mit Lygia hier im Garten. Poppäa begegnete uns mit dem Kinde, das von der Afrikanerin Lilith getragen wurde. Am Abend darauf wurde das Kind krank, und Lilith behauptet, daß es behext wurde, daß jenes fremde Mädchen, dem sie im Garten begegnete, es behext habe. Sollte das Kind genesen, so wird man Lygia vergessen, wenn nicht, wird Poppäa die erste sein, die Lygia der Zauberei anklagt, und das Mädchen ist verloren, wo immer man es findet.“
    Ein Augenblick der Stille folgte. Dann sagte Vinicius:
    „Vielleicht hat sie das Kind behext – wie mich auch.“
    „Lilith behauptet, die kleine Augusta habe zu schreien begonnen in dem Moment, als sie an uns vorbeigetragen worden sei. Und in der Tat fing sie zu schreien an. Jedenfalls war sie schon krank, als man sie in den Garten trug. Marcus, suche Lygia, wenn du willst; doch solange das Kind nicht genesen ist, sprich von ihr nicht zu Nero, sonst überlieferst du sie der Rache Poppäas. Lygias Augen haben deinetwegen schon genug geweint; mögen die Götter sie beschützen!“
    „Liebst du sie, Acte?“ fragte Vinicius düster.
    „Ja, ich liebe sie“, und Tränen zitterten in den Augen der Freigelassenen.
    „Du liebst sie, weil sie dir nicht mit Haß vergalt wie mir.“
    Acte blickte ihn zaudernd an, wie um zu sehen, ob er im Ernst spräche; dann erwiderte sie:
    „O du verblendeter Mann – sie liebt dich ja!“
    Wie besessen sprang Vinicius bei diesen Worten empor.
    Lygia haßte ihn. Was konnte Acte wissen?
    Hätte Lygia ihr nach einem Tage der Bekanntschaft ein solches Geständnis gemacht? Was für eine Liebe ist dies, die ein Wanderleben, schmachvolle Armut, Ungewißheit der Zukunft oder gar einen elenden Tod einem bekränzten Hause vorzieht, wo der Liebende ihrer harrt? Besser war es für ihn, so etwas gar nicht zu hören, sonst müßte er den Verstand verlieren. Gegen alle Schätze Neros hätte er das Mädchen nicht vertauscht, und – es floh. Was ist das für eine Liebe, die vor der Wonne sich fürchtet und Schmerz bereitet? Wer kann das verstehen, wer ergründen? Wäre die Hoffnung nicht, Lygia wiederzufinden, er würde sich ins eigene Schwert stürzen. Liebe ergibt sich, sie entflieht nicht. Es gab Augenblicke in Aulus’ Hause, wo Vinicius an nahes Glück zu glauben geneigt war; nun aber glaubte er zu wissen, daß sie ihn gehaßt hatte, daß sie ihn noch haßte und voll Haß gegen ihn sterben würde.
    Die sonst so milde, furchtsame Acte ließ nun ihrerseits der Entrüstung freien Lauf. Wie hatte er Lygia denn zu gewinnen versucht? Statt sie von Aulus und Pomponia zu erbitten, hatte er sie entführt durch List. Nicht sein Weib, seine Konkubine sollte sie werden, sie, die Pflegetochter eines angesehenen Mannes, die Tochter eines Königs. In diese Höhle der Schmach und des Verbrechens brachte er sie, befleckte ihre Augen durch den Anblick eines schamlosen Gelages, behandelte sie wie eine Dirne. Dachte er

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