Quo Vadis
ich dir raten würde, nicht einen Sklaven, sondern eine Sklavin zu kaufen? Ich kenne dich, ich weiß, du würdest zustimmen. Wenn sie schön wäre wie Eunike, du selber würdest in ihrer Nähe wieder jung und hättest ein gutes, sicheres Einkommen. Ich verkaufte an jene arme Eunike zwei Fäden von meinem Mantel. Sie ist dumm! Doch wenn Petronius sie mir gäbe, ich würde sie nehmen. Ja, ja, Chilon Chilonides, du hast Vater und Mutter verloren, du bist eine Waise; darum kaufe dir zum Troste eine Sklavin. Sie muß freilich irgendwo wohnen; aber Vinicius wird ihr eine Unterkunft besorgen, und da magst auch du Schutz finden. Sie muß sich kleiden, Vinicius wird ihr das Kleid bezahlen; sie muß essen, Vinicius wird sie ernähren. Ach, welch hartes Leben! Wo sind die Zeiten, in denen ein Mann für einen Obolus soviel Schweinefleisch und Bohnen kaufen konnte, wie er in beiden Händen zu halten vermochte, oder ein Stück Ziegenblutwurst, so lang wie der Arm eines zwölfjährigen Knaben! Aber da bin ich ja schon bei diesem Schurken Sporus. In der Weinschenke wird es leichter sein, etwas zu erfahren!“
So mit sich selber redend, trat er in die Schenke ein und bestellte einen Krug „dunklen Roten“. Als er den mißtrauischen Blick des Wirtes sah, zog er eine goldene Münze aus seiner Börse, legte sie auf den Tisch und sprach:
„Ich arbeitete heute mit Seneca von der Dämmerung bis Mittag, und dies gab mir mein Freund beim Abschied.“
Die runden Augen des Sporus wurden bei diesem Anblick noch runder, und bald stand der Wein vor Chilon. Indem er einen Finger darin befeuchtete, zeichnete er einen Fisch auf den Tisch und sagte. –
„Weißt du, was das bedeutet?“
„Ah, Fisch? Ja, ein Fisch – ja, das ist ein Fisch!“
„Du bist dumm, obwohl du soviel Wasser in deinen Wein mischst, daß du darin einen Fisch finden könntest. Das ist ein Symbol, das in der Sprache der Philosophie etwa bedeutet: das Lächeln Fortunas. Wenn du es erraten hättest, würdest auch du dein Glück gemacht haben. Ehre die Philosophie, ich sage es dir, oder ich werde meine Weinschenke wechseln, wozu mir Petronius, mein persönlicher Freund, längst geraten hat.“
XIV
In den Tagen nach dieser Unterredung war Chilon nirgends zu sehen. Seitdem Vinicius wußte, daß Lygia ihn liebe, war es ihm noch weit mehr darum zu tun, sie zu finden, und er begann, selber zu suchen. Den Cäsar wollte und konnte er nicht um Hilfe bitten, denn dieser war von den Besorgnissen um das Leben des kaiserlichen Kindes zu sehr erfüllt.
Weder die Opfer in den Tempeln noch die Gebete, weder die Kunst der Ärzte noch die Mittel der Zauberei, zu denen man schließlich Zuflucht genommen hatte, brachten Erfolg. Nach einer Woche war das Kind tot. Der Hof und ganz Rom waren von Trauer erfüllt. Der Cäsar, der bei der Geburt des Kindes außer sich war vor Entzücken, war es jetzt vor Verzweiflung. Er verschloß sich in seine Gemächer und wies zwei Tage lang jede Speise zurück. Und obwohl der Palast sich füllte von Senatoren und Anhängern des Cäsars, die gekommen waren, ihren Kummer und ihr Beileid zu bezeigen, so versagte er doch jede Audienz. Der Senat versammelte sich zu einer besonderen Sitzung, um das Kind als göttlich zu erklären. Es sollte ihm ein Tempel errichtet und ein besonderer Priester zu seinem Dienste ernannt werden. Zu seiner Ehre wurden auch in den anderen Tempeln Opfer dargebracht, und Statuen aus kostbarem Metall wurden gegossen. Sein Begräbnis war eine pompöse Feier, bei der sich das Volk über den maßlosen Gram des Cäsars wunderte; die Menschen weinten mit ihm, streckten ihre Hände nach Gaben aus, und über all dem belustigten sie sich an dem unvergleichlichen Schauspiel. Dieser Tod bereitete Petronius Sorge. Ganz Rom wußte, daß Poppäa ihn der Zauberei zuschrieb. Die Ärzte stimmten ihr bei; denn so konnten sie die Nutzlosigkeit ihrer Bemühungen erklären. Die Priester, deren Opfer sich machtlos erwiesen hatten, taten dasselbe, ebenso die Krankheitsbeschwörer, die für ihr Leben zitterten. Petronius war es jetzt recht, daß Lygia geflohen war; denn er wünschte Aulus und Pomponia nichts Böses, sich selber und Vinicius nur Gutes. Als daher die Zypresse, die zum Zeichen der Trauer auf dem Palatin aufgestellt war, hinweggenommen wurde, ging er zu dem für Senatoren und Anhänger des Cäsars anberaumten Empfang, um zu erfahren, inwieweit Nero den Gerüchten von der Verhexung sein Ohr geliehen hatte, und, sollte er ihnen glauben, üble
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