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Quo Vadis

Quo Vadis

Titel: Quo Vadis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henryk Sienkiewicz
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wahnsinnig, und du weißt, was sich ereignete. Cassius Chärea erschien. Es war eine schreckliche Tat, und gewiß ist keiner unter uns, der sie loben möchte; aber Chärea befreite die Welt von einem Ungeheuer.“
    „Ist deine Meinung diese: Ich lobe Chärea nicht, aber er war ein Mann; möchten uns doch die Götter eine möglichst große Anzahl solcher schenken?“ forschte Petronius.
    Scaevinus gab jedoch dem Gespräch eine andere Wendung und rühmte auf einmal den Piso, pries seine Familie, seinen Edelsinn, seine eheliche Treue, seinen Geist, seine Ruhe und seine bewunderungswürdige Gabe, das Volk zu gewinnen.
    „Der Cäsar ist kinderlos“, sagte er, „und alle sehen in Piso seinen Nachfolger. Man wird ihm gewiß aus allen Kräften helfen, zur Macht zu gelangen. Fennius Rufus liebt ihn, die Verwandten des Annäus sind ihm ebenfalls ergeben. Plautius Lateranus und Tullius Senecio würden für ihn durchs Feuer gehen, ebenso Natalis, Subrius Flavius, Sulpitius Asper, Afranius Quintianus und selbst Vestinus.“
    „Durch den letzteren wird Piso nicht viel gewinnen“, entgegnete Petronius. „Vestinus fürchtet sich vor seinem eigenen Schatten.“
    „Vestinus fürchtet Träume und Geister“, versetzte Scaevinus, „aber er ist ein geschickter Mann, den das Volk zum Konsul machen will. Daß er innerlich der Christenverfolgung widerstrebt, darfst du ihm nicht verargen; du hast ja auch ein Interesse an der Beendigung dieser Torheit.“
    „Nicht ich, sondern Vinicius“, antwortete Petronius. „Abgesehen jedoch von Vinicius, würde ich gerne ein gewisses Mädchen retten, aber ich kann nicht, ich bin beim Feuerbart in Ungnade gefallen.“
    „Wie? Hast du denn nicht bemerkt, daß der Cäsar sich dir wieder nähert und sich mit dir unterhält? Und ich will dir sagen, warum. Er beabsichtigt, sich nach Achaia zu begeben, wo er griechische Gesänge eigener Komposition vortragen will. Für diese Reise ist er Feuer und Flamme, zittert aber zugleich beim Gedanken an den kecken Geist der Griechen. Er hat die Überzeugung, daß er dort entweder die denkbar größten Triumphe feiern oder die schmählichste Niederlage erleiden werde. Deshalb bedarf er guten Rates, und niemand wird ihm, dessen ist er sich bewußt, besseren geben als du. Darum kommst du wieder zu Gnaden.“
    „Lucanus kann meinen Platz ausfüllen.“
    „Der Feuerbart haßt Lucanus und hat in seinem Sinn dessen Todesurteil schon gefällt. Er sucht nur nach einem Vorwand, es aussprechen zu können; denn ohne einen solchen läßt er nichts vollziehen.“ ‚
    „Bei Kastor!“ sagte Petronius, „so mag es sein. Aber vielleicht gäbe es noch einen anderen Weg für mich, um wieder Gunst zu gewinnen.“
    „Welchen?“
    „Dem Feuerbart zu hinterbringen, was du soeben mir erzählt hast.“
    „Ich habe nichts gesagt“, rief Scaevinus geängstigt.
    Petronius legte die Hand auf die Schulter des Senators.
    „Du hast den Cäsar einen Wahnsinnigen genannt, für Pisos Erbe dich gesorgt und gesagt: ‚Lucanus begreift, daß man eilen muß.‘ Womit würdest du eilen, carissime?“
    Scaevinus erbleichte, und einen Augenblick tauchten ihre Blicke ineinander.
    „Du wirst es nicht weitersagen!“
    „Bei der Cypris, ich werde es nicht tun! Wie gut du mich kennst! Nein, ich werde es nicht weitersagen! Ich habe nichts gehört, und noch mehr, ich will nichts hören. Verstehst du? Das Leben ist zu kurz, um etwas zu unternehmen, das diese gemessene Spanne Zeit noch verkürzen würde. Ich bitte dich nur, Tigellinus heute zu besuchen und mit ihm solange wie mit mir von allem zu plaudern, was dir gefällt.“
    „Warum?“
    „Damit, wenn Tigellinus je zu mir sagte: ‚Scaevinus war bei dir‘, ich ihm antworten könnte: ‚Er war auch am selben Tag bei dir.‘ “
    Als Scaevinus dies hörte, zerbrach er den Elfenbeinstock, den er in der Hand hielt, und rief:
    „Möge das Unglück diesen Stock treffen! Ich werde heute noch bei Tigellinus sein und später bei Nervas Fest. Du wirst auch kommen? Jedenfalls treffen wir uns im Amphitheater, wo übermorgen die letzten Christen erscheinen. Auf Wiedersehen!“
    „Übermorgen“, wiederholte Petronius, als er allein war. „Es ist keine Zeit zu verlieren. Der Feuerbart bedarf meiner wirklich in Achaia, darum muß er mit mir rechnen.“
    Und er beschloß, den Versuch zu wagen.
    Bei dem Feste Nervas verlangte der Cäsar wirklich, daß Petronius sich ihm gegenübersetzte, denn er wollte mit dem Arbiter über Achaia und die Städte

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