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Quo Vadis

Quo Vadis

Titel: Quo Vadis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henryk Sienkiewicz
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bringen. In unseren Zeiten sind die Vergessenen die Glücklichsten. Fortuna sei deine Sonne im Winter, dein Schatten im Sommer.“
    Damit überließ er Vinicius seinem Glück und suchte Theokles auf, um sich nach Lygias Befinden zu erkundigen.
    Sie war außer Gefahr. Abgezehrt infolge des Kerkerfiebers, hätten die schlechte Luft und die Entbehrungen sie töten müssen, wenn sie länger im Gefängnis geblieben wäre. Nun aber genoß sie die sorgfältigste Pflege, von Reichtum, ja Überfluß umgeben. Auf den Rat des Arztes trug man sie nach zwei Tagen in den Garten hinaus, wo sie sich stundenlang aufhielt. Vinicius schmückte ihre Sänfte mit Anemonen und besonders mit Iris, um sie an Aulus’ Haus zu erinnern. Im Schatten der Bäume sprachen sie oft Hand in Hand von den überstandenen Leiden. Lygia sagte, Christus habe sie absichtlich durch Leiden hindurchgeführt, um so seine Seele umzuformen und an sich zu ziehen. Vinicius fühlte, daß sie wahr sprach, daß in ihm nichts von dem früheren Patrizier war, dem nur der eigene Wille als Gesetz gegolten hatte. Allein in diesen Erinnerungen lag nichts Bitteres. Beiden war es, als seien Jahre über sie hinweggegangen, als liege die schreckliche Vergangenheit weit, weit hinter ihnen. Ein nie gefühlter Herzensfriede war in ihnen eingekehrt. Der Cäsar mochte rasen und die Welt mit Schrecken erfüllen; sie wußten über sich einen Schutz, tausendmal mächtiger als Neros Gewalt, fühlten keine Furcht mehr vor seiner Wut und seiner Bosheit, gerade so, als ob er für sie aufgehört hätte, Herr über Leben und Tod zu sein.
    Eines Morgens vernahmen sie von entfernten Vivarien her das Brüllen der Löwen und anderer Tiere. Früher hatten diese Stimmen Vinicius mit Furcht erfüllt, weil sie als böse Vorzeichen galten; jetzt blickten er und Lygia sich nur stumm an und hoben die Augen zum Himmel empor. Zuweilen entschlummerte Lygia, noch schwach und unfähig, allein zu gehen, in der Stille des Gartens; er wachte über ihr, betrachtete ihr schlafendes Antlitz und sagte sich unwillkürlich, daß sie nicht mehr jene Lygia sei, die er in Aulus’ Garten gesehen hatte.
    In der Tat waren Einkerkerung und Krankheit nicht spurlos an ihrer Schönheit vorübergegangen. Damals, als er sie in Aulus’ Hause gesehen, und später noch, als er sie aus Miriams Wohnung entführen wollte, war sie schön wie eine Statue, wie eine Blume. Nun war ihr Gesicht fast durchsichtig, ihre Hände dünn, der Körper durch Krankheit abgezehrt, die Lippen blaß, und selbst die Augen schienen weniger blau als früher. Die goldhaarige Eunike, die ihr Blumen brachte und kostbare Stoffe, um ihre Füße zu decken, war eine kyprische Gottheit im Vergleich zu ihr. Petronius bemühte sich umsonst, die früheren Reize an ihr zu entdecken. Achselzuckend dachte er, dieser Schatten aus den elysischen Gefilden sei so vieler Mühe, so vieler Qualen, die Vinicius fast das Leben gekostet hatten, gar nicht wert gewesen. Vinicius aber, der in ihre Seele verliebt war, liebte sie nur um so inniger; sooft er über ihr, wenn sie eingeschlummert war, wachte, schien es ihm, als wache er über seiner ganzen Welt.

LXIX
    Die Nachricht von Lygias wunderbarer Befreiung verbreitete sich bald unter den zerstreut lebenden Christen, die der Verfolgung entgangen waren. Bekenner kamen, um die zu sehen, an der Christi Barmherzigkeit sich so auffallend erwiesen hatte. Zuerst erschienen Nazarius und Miriam, bei denen der Apostel Petrus bisher versteckt gehalten wurde, dann andere. Alle Besucher, aber auch Vinicius, Lygia und die christlichen Sklaven des Petronius, hörten mit Aufmerksamkeit die Erzählung des Ursus von der Stimme, die er in seinem Innern vernommen, und deren Aufforderung, mit der Bestie zu kämpfen. Sie gingen getröstet hinweg, die Hoffnung im Herzen, daß Christus die Seinen auf Erden nicht austilgen lassen werde bis zum Tage seiner Wiederkunft am Jüngsten Gericht. Und dieses Vertrauen flößte ihnen Mut ein; denn die Verfolgung war nicht zu Ende. Die Stadtwache ließ jeden, der öffentlich als Christ bezeichnet wurde, sofort ins Gefängnis werfen. Allerdings verringerte sich die Zahl der Opfer, doch nur deshalb, weil die meisten schon ergriffen und gemartert worden waren. Die übriggebliebenen Christen hatten entweder Rom verlassen, um in entlegenen Provinzen das Ende des Sturms abzuwarten, oder sich sorgfältig verborgen. Die Verborgenen wagten nicht, sich zu gemeinsamem Gebete zu versammeln, außer in Sandgruben vor der

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