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Der Erdsee Zyklus 06 - Rückkehr nach Erdsee

Der Erdsee Zyklus 06 - Rückkehr nach Erdsee

Titel: Der Erdsee Zyklus 06 - Rückkehr nach Erdsee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula K. LeGuin
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Kapitel I
    Die Heilung des grünen Kruges
     
    Segel so mächtig und weiß wie Schwanenschwingen trugen das Schiff Fernflieger durch die Sommerluft von den Festungsklippen aus quer durch die Bucht gen Gonthafen. Es glitt in das ruhige Wasser des Hafenbeckens - ein solch sicheres und anmutiges Geschöpf des Windes, dass zwei Städter, die gerade vor der alten Kaimauer angelten, es mit Jubelrufen begrüßten und der Besatzung und dem einzigen Passagier, der im Bug stand, freudig zuwinkten.
    Er war ein dünner Mann mit einem kleinen Bündel und einem alten schwarzen Mantel, vermutlich ein Zauberer oder niederer Handelsmann, jedenfalls niemand von Bedeutung. Die beiden Angler beobachteten das geschäftige Treiben auf dem Dock und dem Deck des Schiffes, als es sich rüstete, seine Fracht zu löschen, und widmeten dem Fahrgast lediglich einen kurzen, gelinde neugierigen Blick, als einer der Seeleute, da er das Schiff verließ, hinter seinem Rücken mit dem Daumen, dem Zeigefinger und dem kleinen Finger der linken Hand auf ihn zeigte - eine Geste, die besagte: Auf dass du nimmer wiederkehrest!
    Der dünne Mann hielt kurz auf dem Landungssteg inne, schulterte sein Bündel und hielt auf die Straßen von Gonthafen zu. Es waren belebte Straßen, und er gelangte sogleich auf den Fischmarkt, auf dessen von Fischschuppen und Salzwasser glänzendem Pflaster es von Händlern und schachernden Käufern nur so wimmelte. Wenn er denn einen Kurs gehabt hatte, so verlor er ihn bald zwischen den Karren und Ständen und Menschenmassen und den kalten, starrenden Blicken der toten Fische.
    Eine hoch gewachsene, alte Frau wandte sich von einem Stand ab, an dem sie just zuvor die Frische des Herings und die Wahrheitsliebe des Fischweibes bemäkelt hatte. Obgleich der Fremde sah, dass sie ihn wütend anstarrte, fragte er unklug: »Würdet Ihr wohl die Güte haben, mir den Weg zu weisen, den ich gehen muss, wenn ich nach Re Albi gelangen will?«
    »Nun, dann ersäuft Euch doch gleich in einem Schweinetrog«, raunzte die Frau barsch und schritt von dannen, den Fremden verdutzt, ja bestürzt zurücklassend. Das Fischweib aber witterte seine Chance, sich moralisch über die Mäklerin zu erheben, und posaunte: »Re Albi, sagtet Ihr? Nach Re Albi wollt Ihr, Mann? Dann sprecht! Das Haus des Alten Magiers, das ist's wohl, wohin Ihr in Re Albi wollt. Ja, das wird's wohl sein. An jener Ecke dort drüben biegt Ihr nach links und geht den Elverspfad hinauf, bis Ihr zu dem Turme kommt...«
    Sobald er den Markt hinter sich gelassen hatte, führten ihn breite Straßen bergan, vorbei an dem trutzigen Wachtturm und zu einem Stadttor. Zwei lebensgroße steinerne Drachen, deren Zähne so lang waren wie seine Unterarme, bewachten es; ihre steinernen Augen blickten blind über die Stadt und die Bucht. Ein Wächter, der müßig dort lungerte, sagte ihm, er müsse bloß am Ende der Straße links abbiegen, und schon sei er in Re Albi. »Und dann geht weiter durch das Dorf bis zum Hause des Alten Magiers«, schloss der Wächter.
    So stapfte er denn die Straße hinan, welche recht steil war, den Blick in die Ferne gerichtet, zu den noch steileren Hängen und dem fernen Gipfel des Berges Gont, der wie eine dräuende Wolke über seiner Insel hing.
    Die Straße zog sich dahin, und der Tag war heiß. Schon bald entledigte er sich seines schwarzen Umhangs und setzte seinen Weg barhäuptig und in Hemdsärmeln fort, aber er hatte es versäumt, sich in der Stadt Wasser zu beschaffen oder Nahrung zu kaufen. Vielleicht war er auch zu schüchtern dazu gewesen, denn er war kein Mann, der sich in Städten heimisch fühlte oder es gut mit Fremden konnte.
    Nach etlichen langen Meilen schloss er zu einem Karren auf, den er schon lange weit voraus auf dem Weg als dunklen Fleck in einer weißen Staubwolke ausgemacht hatte. Der Wagen rumpelte quietschend und knarrend bergan, gezogen von zwei kleinen Ochsen, die so alt, runzlig und freudlos ausschauten wie Schildkröten. Er grüßte den Kärrner, welcher den Ochsen ähnelte. Der Kärrner erwiderte nichts, sondern blinzelte bloß.
    »Ist weiter oben wohl ein Quell?«, fragte der Fremde.
    Der Kärrner schüttelte bedächtig den Kopf. Es dauerte lange, bis er antwortete. »Nein.« Und noch einmal so lange dauerte es, bis er sagte: »Da ist keiner.«
    Und so stapften sie allesamt weiter. Entmutigt, wie er war, fand der Fremde es schwer, wenn nicht unmöglich, schneller zu gehen als die Ochsen - eine Meile die Stunde vielleicht.
    Da sah er, dass

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