Quo Vadis
wird Glaukos zum ersten Male inne, wie sehr ich ihn liebte. Ich werde sofort passende Leute ausfindig machen und ihnen sagen, daß ich für jeden Tag, den Glaukos länger lebt, hundert Sesterze abziehe. Überdies habe ich eine bestimmte Idee, die mir unfehlbar erscheint.“
Vinicius versprach ihm die geforderte Summe und verbat sich jede fernere Erwähnung des Glaukos; dann fragte er ihn, was für andere Nachrichten er bringe, wo er die ganze Zeit über gewesen sei, was er gesehen und entdeckt habe. Aber Chilon konnte nicht viel erzählen. Er sei in zwei weiteren Gebetshäusern gewesen, sagte er, habe jede Person, namentlich die Frauen, sorgfältig beobachtet, aber keine gesehen, die Lygia gliche. Die Christen betrachteten ihn als Anhänger ihrer Sekte und ehrten ihn seit dem Loskauf von Euricius’ Sohn als einen Mann, der Christus nachfolge. Er habe nun von ihnen erfahren, daß einer ihrer größten Gesetzgeber wegen der von Juden gegen ihn erhobenen Beschuldigungen in Rom eingekerkert sei, ein gewisser Paulus von Tarsus, dessen Bekanntschaft zu machen er beschlossen habe. Was ihm aber das größte Vergnügen bereite, sei, daß der oberste Priester der Sekte, ein Jünger Christi, dem Christus selber die Regierung der ganzen christlichen Welt anvertraut habe, demnächst nach Rom kommen werde. Alle Christen wünschten augenscheinlich, ihn zu sehen, seinen Unterricht zu hören. Einige bedeutende Zusammenkünfte müßten erfolgen, denen auch er beiwohnen wolle; und weil es ihm dabei leicht sei, sich in der Menge verborgen zu halten, wolle er Vinicius mit sich nehmen. Dabei würden sie Lygia gewiß finden. Nach der Beseitigung des Glaukos sei dieses Vorgehen nicht einmal mit großen Gefahren verbunden. Auch den Christen sei die Rache nicht fremd, im allgemeinen aber wären sie friedliche Leute.
Darauf berichtete Chilon mit einem gewissen Erstaunen, er habe nie gesehen, daß sie sich Ausschweifungen hingäben, Quellen und Brunnen vergifteten, Feinde des menschlichen Geschlechtes seien, einen Esel verehrten oder Fleisch von Kindern äßen. Nein, er habe nichts solches gesehen. Gewiß werde er unter ihnen auch Leute finden, die er dingen könne, den Glaukos für Geld zu beseitigen; soweit er eingeweiht sei, fordere allerdings ihre Religion nicht zum Verbrechen heraus, sondern zum geraden Gegenteil, zum Vergeben der Beleidigung.
Vinicius gedachte der Worte, die Pomponia bei Acte zu ihm gesprochen hatte, und hörte Chilon nicht ganz ohne Interesse an. Obwohl sein Gefühl für Lygia manchmal wie vom Hasse aufgezehrt schien, so war es ihm doch eine gewisse Erleichterung, zu vernehmen, daß ihre und Pomponias Religion weder etwas Verbrecherisches noch Abstoßendes an sich habe. Es erwachte aber auch eine Art Ahnung in ihm, daß gerade diese Verehrung für Christus, den Unbekannten, Geheimnisvollen, es sei, was die Kluft zwischen ihm und Lygia verursachte; er begann, diese Religion zu hassen, gleichzeitig aber flößte sie ihm Furcht ein.
XVII
Glaukos war zwar bejahrt, aber doch noch rüstig, und es lag Chilon alles daran, ihn aus dem Wege zu räumen. Seine Erzählung bei Vinicius enthielt nur einen Teil der Wahrheit. Er hatte vorzeiten Glaukos gekannt, ihn verraten, an Räuber verkauft, ihn seiner Familie und seines Besitzes beraubt und Mördern in die Hände geliefert. Doch verursachte ihm die Erinnerung daran wenig Gewissensbisse. Er hatte ihn sterbend liegenlassen auf freiem Felde bei Minturnae. Daß Glaukos noch genesen und nach Rom kommen könnte, hatte er freilich nicht voraussehen können. Als er ihn im Gebetshaus erblickte, war er wirklich so erschrocken, daß er im ersten Augenblick die Suche nach Lygia aufgeben wollte. Andererseits war seine Furcht vor Vinicius noch größer. Er erkannte, daß ihm nur die Wahl blieb zwischen der Furcht vor Glaukos und der Rache eines mächtigen Patriziers, dem ohne Zweifel ein noch Größerer zu Hilfe kommen würde – Petronius. Das war entscheidend. Er fand es für besser, machtlose Feinde zu haben als mächtige, und obgleich seine feige Natur vor einer Bluttat zurückbebte, hielt er es doch für nötig, Glaukos durch gedungene Mörder umbringen zu lassen.
Die Frage drehte sich nun bloß um die Wahl der richtigen Leute. Infolge seines nächtlichen Herumtreibens in den Weinschenken kannte er obdachlose, zu jeder Tat fähige Existenzen genug, allerdings auch solche, die, sobald sie bei ihm Geld witterten, von ihm mit der Drohung, ihn anzuzeigen, statt des Handgeldes die gesamte
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