1555 - Saladins grausamer Klon
Glenda wusste, dass sie nicht ewig vor der Wohnungstür stehen bleiben konnte. Sie hätte sich sonst lächerlich gemacht.
Sie schaute sich das Schloss an. Konnte ja sein, dass jemand versucht hatte, bei ihr einzubrechen und dabei Spuren hinterlassen hatte. Sie entdeckte keinerlei Beschädigungen.
War es nur ihre Nervosität, die ihr eine Gefahr vorgaukelte?
Nein, das ungute Gefühl blieb. Glenda Perkins verglich es mit John Sinclairs Bauchgefühl, und sie versuchte gar nicht erst, es zu ignorieren.
Sie wollte nicht eben sagen, dass sie gefährlich lebte, doch in ihrem Job kam sie täglich mit Dingen zusammen, die anderen Menschen in der Regel nicht widerfuhren, auch wenn sie die meiste Zeit nur im Büro saß.
Irgendwas stimmte hier nicht.
Glenda schloss die Tür auf und stieß sie langsam nach innen. Kein Geräusch drang ihr entgegen. Glenda erlebte die typische Stille einer leeren Wohnung, in der sich auch der Geruch nicht verändert hatte. Um diese Jahreszeit mussten die Heizungen noch laufen, und so war es auch in ihren vier Wänden.
Die Wärme bildete einen Stau, weil längere Zeit nicht gelüftet worden war, und Glenda wollte zunächst für offene Fenster sorgen.
Sie hob die beiden Tüten wieder auf. Als sie über die Schwelle ging, hatte sie das Gefühl, eine fremde Wohnung zu betreten. Sie war angespannt. Sie ließ nur die Augen wandern, ohne dass sie etwas entdeckte, denn niemand hielt sich in dem kleinen Flur auf.
Glenda trat die Tür mit einem kurzen Kick wieder zu und näherte sich der Küche.
Dort wollte sie die Einkäufe abstellen. Im Supermarkt hatte sie sich eine Pizza gekauft, die sie aufwärmen wollte.
Auch in der Küche wartete niemand auf sie. So etwas wie ein Gefühl der Erleichterung durchströmte sie. Sogar ein erstes scheues Lächeln huschte über ihre Lippen.
Sie stellte die Tüten ab und atmete zunächst mal tief durch. Sogar ein dünner Schweißfilm hatte sich auf ihrer Stirn gebildet. Darüber machte sie sich keine Gedanken. Sie hatte bisher niemanden in ihrer Wohnung überrascht und hätte eigentlich zufrieden sein können.
Aber das ungute Gefühl war immer noch vorhanden.
Glenda betrat wieder den Flur. Dort zog sie ihren halblangen schwarzen Mantel aus und hängte ihn an einen Haken. Danach wollte sie die anderen Räume ihrer Wohnung untersuchen, wobei sie sich eigentlich lächerlich vorkam, aber sie musste es tun, um absolut sicher zu sein.
Sie schaute auf die Tür zum Wohnraum, die sie nie ganz schloss. Das war auch so.
Glenda sah den Spalt und hätte eigentlich beruhigt sein können.
Das Misstrauen blieb. Mit kleinen und lautlosen Schritten näherte sie sich der spaltbreit geöffneten Tür und warf einen ersten Blick in das Zimmer.
Leer?
Es sah so aus. Helle Möbel verteilten sich im Zimmer. An den Wänden hingen Bilder mit freundlichen Naturmotiven, sie sah auch den Flachbildschirm, der matt schimmerte. Sie konnte das Fenster erkennen, aber sie sah keinen Eindringling und entdeckte auch keine Spuren, die er hinterlassen haben könnte.
Normal, es ist alles normal!
Trotzdem wollte sie nicht daran glauben. Glenda war schon zu lange im Geschäft, um zu wissen, dass es Dinge gab, die man spürte, aber nicht sehen konnte.
Sie stieß die Tür weiter auf. Jetzt hatte sie den vollen Überblick, aber sie zögerte noch mit dem Eintreten.
Glenda hatte die Wohnung auch wegen des großen Fensters gemietet. Sie liebte den Blick nach draußen, auch jetzt war die Scheibe frei, denn Glenda hatte die Gardine nicht zugezogen.
Sie schaute hin.
Erst einmal, dann noch einmal, schüttelte den Kopf und hatte das Gefühl, etwas würde ihr den Brustkasten einschnüren. Das konnte nicht sein, das war verrückt aber sie irrte sich nicht.
In der Fensterscheibe zeichnete sich eine Gestalt ab!
***
Glendas Beine fingen an zu zittern. Das Blut schoss ihr in den Kopf.
Wäre sie in diesem Augenblick angesprochen worden, sie hätte keine Antwort geben können, weil ein dicker Kloß in ihrer Kehle saß und sie kein Wort hervorgebracht hätte.
Es fiel ihr sogar schwer, den Arm zu heben und über ihre Augen zu wischen. Glenda verspürte den Wunsch, etwas fortscheuchen zu müssen, was sie nicht schaffte, denn die Gestalt in der Fensterscheibe blieb dort, wo sie war.
Glenda riss sich zusammen und konzentrierte sich. Sie gehörte nicht zu den Frauen, die gleich schrien oder die Flucht ergriffen. Wenn Probleme auftraten, dann war Glenda die Letzte, die nicht sofort versuchte, sie in den Griff zu
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