Quo Vadis
Händewaschung. Dies ist jedenfalls der Weg, auf dem man einen Streit mit ihnen endgültig beilegt. Was für gute Leute diese Christen sind! Und wie übel spricht man von ihnen! Das ist die Gerechtigkeit der Welt. Mir gefällt diese Religion, da sie nicht zu töten erlaubt. Doch wenn sie nicht zu töten erlaubt, so verbietet sie gewiß auch Diebstahl, Betrug und falsches Zeugnis. Ich will also nicht behaupten, daß sie leicht zu befolgen sei. Sie befiehlt offenbar, nicht bloß ehrlich zu sterben – wie die Stoiker fordern –, sondern auch ehrlich zu leben. Wenn ich je Vermögen, ein Haus gleich diesem und so viele Sklaven wie Vinicius besitze, dann will ich vielleicht Christ sein, solange es dienlich ist. Denn ein reicher Mann kann sich alles, selbst Tugend, erlauben. Es ist eine Religion für die Reichen. Deshalb begreife ich gar nicht, daß unter ihren Anhängern so viele Arme sind. Was nützt es denen, daß sie sich die Hände durch die Tugend binden lassen? Ich muß einmal darüber nachsinnen. Inzwischen hab Dank, o Hermes, daß du mich diesen Dachs finden ließest. Doch wenn du es bloß um der zwei jungen Kühe mit vergoldeten Hörnern willen getan hast, so will ich nichts von dir wissen. Schäme dich, Argustöter! Wenn du so ein weiser Gott bist, solltest du vorausgesehen haben, daß du nichts bekommst. Ich will dir meine Dankbarkeit opfern; doch wenn du zwei Rinder dazu verlangst, so bist du das dritte Rind, und du verdienst, im besten Falle, ein Schafhirt, aber kein Gott zu sein. Hüte dich, sonst beweise ich als Philosoph den Menschen, daß du gar nicht existierst; dann bekommst du gar keine Opfer mehr. Es ist geratener, mit Philosophen auf gutem Fuße zu stehen.“
Indem er so mit sich und dem Hermes redete, streckte er sich behaglich auf dem Polster aus, legte den gefalteten Mantel unter das Haupt und war eingeschlummert, als der Sklave die Tafel abzuräumen begann. Er erwachte – oder richtiger, man weckte ihn erst, als Kroton erschien. Er begab sich ins Atrium und betrachtete dort vergnügt den Ex-Gladiator, dessen mächtige Gestalt das ganze Atrium auszufüllen schien. Kroton hatte bereits seinen Lohn ausbedungen und sagte eben zu Vinicius:
„Bei Hercules! Es ist gut, Herr, daß du heute nach mir sandtest, da ich morgen nach Benevent reisen will, wohin der edle Vatinius mich ruft, um in des Cäsars Gegenwart einen gewissen Syphax zu prüfen, den gewaltigsten Neger, den Afrika je hervorbrachte. Kannst du dir vorstellen, Herr, wie seine Wirbelsäule in meinen Armen krachen und wie meine Faust seine schwarzen Kinnladen zerschmettern wird?“
„Bei Pollux! Ich bin überzeugt, daß du das tun wirst“, erwiderte Vinicius.
„Du wirst dich auszeichnen“, fügte Chilon bei. „Jawohl, seine Kinnladen zerschmettern! Der Gedanke ist mein, die Tat dein. Doch reibe heute die Glieder mit Olivenöl ein, mein Hercules, und gürte dich; denn wisse, du bekommst es vielleicht mit einem wahren Cacus, einem richtigen Ungeheuer, zu tun. Jener Mann, der das Mädchen behütet, an dem der edle Vinicius so warmen Anteil nimmt, dürfte leicht außerordentliche Kraft besitzen.“
Damit wollte Chilon bloß Krotons Ehrgeiz erwecken.
„So ist’s“, sagte Vinicius. „Ich bin zwar kein Augenzeuge davon, doch sagt man, er könne einen Stier bei den Hörnern nach Belieben herumschleppen.“
„Oh!“ rief Chilon, der sich Ursus nicht so stark gedacht hatte.
Doch Kroton lachte verächtlich.
„Ich mache mich anheischig, edler Herr“, sagte er, „mit diesem Arm jeden, den du mir zeigst, emporzuheben, mit dem anderen aber gegen sieben solcher Lygier mich zu verteidigen und das Mädchen in dein Haus zu tragen, wenn auch sämtliche Christen gleich Kalabreser Wölfen mich verfolgten. Wenn ich das nicht kann, kannst du mich in diesem Impluvium auspeitschen lassen.“
„Gib das nicht zu, Herr“, sagte Chilon. „Sie würden uns steinigen. Was nützte uns dann seine Kraft! Ist es nicht besser, das Mädchen aus ihrer Wohnung zu entführen und weder dich noch sie dem Tode auszusetzen?“
„Das ist richtig, Kroton“, pflichtete Vinicius bei.
„Ich bekomme dein Geld und tue deinen Willen. Doch vergiß nicht, daß ich morgen nach Benevent gehe.“
„Ich besitze fünfhundert Sklaven in Rom“, war die Antwort.
Vinicius gab den beiden das Zeichen, sich zurückzuziehen, begab sich in sein Bücherzimmer und schrieb folgende Worte an Petronius:
„Chilon hat Lygia gefunden. Diese Nacht werde ich mit ihm und Kroton nach
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