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Racheengel

Racheengel

Titel: Racheengel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stuart Neville
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die halbwachen Momente, und über allem lag der Schmerz.
    Zuerst der Himmel, im Nebel verborgen und dadurch nur noch umso dunkler. Dann die Polizisten, die ihn umringten, ihre Finger in seinem Mund. Sein Kopf, der sich ohne seinen eigenen Willen bewegte. Der Hustenreiz und die Höllenqualen, die er auslöste, weil er ihn schier in Stücke zu reißen schien.
    Danach das Innere des Krankenwagens, Lampen so grell, dass sie ihm den Schädel durchbohrten und sich tief in sein Hirn gruben. Die Rettungssanitäter, die um ihn herumwuselten, die Sauerstoffmaske, durch die er sich fühlte wie ein Ertrinkender.
    Dann das Krankenhaus, noch mehr Lampen, Schwestern und Ärzte, noch mehr Herumstochern, die dringlichen Stimmen, die blutigen Tupfer, die lange Nadel, die seine Brust durchbohrte, das Pfeifen und Piepsen, dann ein gleichbleibender hoher Ton, wie ein Faden aus Baumwolle und Lärm, der sich immer weiterzog, bis er im Dunklen verschwand, und er dachte an Ellen und wie sehr er sich wünschte, sie ihr ganzes Leben lang gekannt zu haben, und an Susan mit ihren traurigen Augen und wie gern er sie noch einmal wiedersehen würde, aber die Dunkelheit war so warm, wie ein Bett an einem kalten Morgen, und …
    Dann plötzlich ein greller Blitz, und da war wieder der Schmerzund das unbarmherzige gleißende Licht, dann noch eine Maske, und er war wieder weg.

91
    Der Fahrer sprach weder, als er Strazdas den Koffer abnahm, noch auf dem Weg zum Flughafen. Das Taxi sah aus wie die, die auf den Londoner Straßen herumkurvten, aber vom Fenster seines Hotelzimmers aus hatte er inzwischen schon viele davon gesehen. Eine Plexiglasscheibe trennte ihn von dem vierschrötigen Mann mit dem pickeligen Nacken, der das Lenkrad umklammert hielt.
    Unterwegs überlegte Strazdas, was er seiner Mutter sagen sollte. Schon beim bloßen Gedanken schrumpfte ihm der Hodensack in der Hose und seine Blase drückte. Höchstwahrscheinlich würde er erst einmal gar nichts sagen. Sobald er in Brüssel landete, würde er sich sofort einen Flug woandershin besorgen. Von dort aus würde er dann die Spur des Mädchens verfolgen: wer sie Aleksander besorgt hatte, wo sie herkam, ihre Familie, alles, das ihm helfen konnte, sie zu finden.
    Wenn er Glück hatte, würde sie wieder nach Hause zurückkehren, und dort war sie schutzlos. Und wenn er erst diesen Schandfleck aus dem Kopf hatte, dann konnte er zu seiner Mutter zurückkehren, als ehrbarer Sohn.
    Das Tageslicht schien sich eine Bresche durch den Nebel bahnen zu wollen, trotzdem fühlte Strazdas eher als es direkt zu sehen, dass der Wagen auf einem langen, geraden Streckenabschnitt fuhr. Jetzt sah der Fahrer in den Rückspiegel.
    »Scheiße«, fluchte er.
    Strazdas drehte sich auf der Sitzbank um und schaute aus dem Rückfenster.
    Als Erstes sah er das Blaulicht aufblitzen, dann immer deutlicher die Umrisse des Wagens aus der trüben Suppe auftauchen. Eine Sirene heulte auf.
    Der Fahrer schaltete den Blinker ein und trat auf die Bremse.
    »Was machen Sie da?«, fragte Strazdas.
    »Ich fahre links ran«, sagte der Fahrer. »Was glauben Sie denn wohl, was ich hier mache?«
    »Nein«, rief Strazdas. »Fahren Sie weiter.«
    »Sie können mich mal«, sagte der Fahrer, steuerte das Taxi auf den befestigten Randstreifen und hielt an.
    Der Wagen stellte sich hinter sie, die Scheinwerfer gingen aus. Die Fahrertür wurde geöffnet, und ein Mann im Anzug stieg aus. Während er humpelnd zum Taxi kam, rollte der Fahrer das Fenster herunter. Der Mann im Anzug schaute die Straße hinauf und hinab.
    »Mensch, Dan«, rief der Fahrer, »was ist denn hier los? Du hast mir einen Riesenschrecken eingejagt. Dachte schon, ich krieg einen Strafzettel. Ich kann mir nicht noch mehr Punkte …«
    Hewitt zog eine Pistole aus dem Hosenbund, zielte auf die Stirn des Fahrers und drückte ab.
    Noch bevor er den Schuss hörte, reagierte Strazdas, riss den Türgriff auf und warf sich aus dem Auto. Er schlug mit der Schulter auf, zog sich hoch und taumelte das sonst grasbewachsene Bankett hinauf. Immer wieder glitten seine Schuhe im Schnee aus.
    Ein Schuss ließ die eisige Luft erzittern, und von hinten schlug etwas in Strazdas’ Bein. Aufheulend fiel er nach hinten und rollte über den kurzen Abhang wieder auf das Taxi zu, dessen Motor immer noch lief. Der vereiste Asphalt des Randstreifens schürfte ihm die Hände und Knie auf, dann blieb er am Hinterrad des Taxis liegen. Er versuchte, unter das Auto zu kriechen, aber eine Hand packte ihn am

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