Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Gesetz der Neun - Goodkind, T: Gesetz der Neun - The Law of Nines

Titel: Das Gesetz der Neun - Goodkind, T: Gesetz der Neun - The Law of Nines Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Goodkind
Vom Netzwerk:
1
    Als Erstes stach ihm die Piratenflagge ins Auge, die oben auf dem Lastwagen des Klempnereibetriebs wehte. Nur mit Mühe schien sich der weiße Totenschädel mit den gekreuzten Knochen auf der flatternden schwarzen Fahne halten zu können, als der offene Laster bei dem mutmaßlichen Versuch, die Ampelphase noch zu schaffen, auf die Kreuzung raste. In Schräglage bog er um die Kurve; weiße PVC-Röhren rollten über seine geriffelte Aluminium-Ladefläche und erzeugten dabei das harte Klacken aneinanderschlagender Knochen. Bei dem Tempo, das er an den Tag legte, schien der Laster Gefahr zu laufen umzukippen.
    Alex sah zu der einzigen Person hinüber, die mit ihm am Bordstein wartete. In wirre Gedanken versunken hatte er die einzelne Frau, die ein Stück weiter rechts vor ihm stand, bisher gar nicht bemerkt. Er erinnerte sich nicht einmal, aus welcher Richtung sie gekommen war. Von ihren Armen glaubte er hauchfeine Dampfwölkchen in die frostige Luft aufsteigen zu sehen.
    Da er das Gesicht der Frau nicht sehen konnte, wusste er nicht, ob sie den Lastwagen wahrnahm, der auf sie beide zuraste. Allerdings erschien es ihm kaum vorstellbar, dass sie nicht wenigstens den unter Vollgas aufheulenden Dieselmotor hörte.
    Als die Bahn des Lasters keinen Zweifel mehr daran ließ, dass er die Kurve nicht schaffen würde, packte Alex die Frau am Oberarm und riss sie nach hinten.
    Mit quietschenden Reifen rumpelte der Laster über die Bordsteinkante,
genau dort, wo Alex und die Frau eben noch gestanden hatten. Die vordere Stoßstange schoss vorbei und verfehlte sie nur um Zentimeter. Hinter ihm stieg eine schmutzige Staubwolke auf, Klumpen von Gras und Erde flogen vorüber.
    Hätte Alex gezögert, wären sie jetzt beide tot.
    Auf der weißen Tür, gleich über dem Namen Jolly Roger Klempnereibetriebe, war das Abbild eines fröhlich dreinblickenden Piraten zu sehen, mit einer feschen schwarzen Klappe über dem einen Auge und einem gemalten Funkeln in einem seiner lächelnden Mundwinkel. Alex warf ihm einen wütenden Blick zu.
    Als er den Kopf hob, um zu sehen, was für ein Irrer hinter dem Steuer saß, begegnete er stattdessen dem starren, düsteren Blick seines stämmigen Beifahrers. Er hätte tatsächlich ein Pirat sein können mit seinem krausen Bart und dem mächtigen dunklen Haarschopf. Aus seinen Augen, hinter den schmalen Schlitzen über seinen feisten, pockennarbigen Wangen, sprach blanke Wut.
    Offenbar war der hünenhafte Kerl stinksauer, weil Alex und die Frau es gewagt hatten, ihrem Abstecher abseits der Straße im Weg zu sein. So wie er die Tür aufstieß, ließ er keinen Zweifel daran, dass er die Absicht hatte zuzuschlagen.
    Der Kerl schien einem Alptraum entsprungen.
    Alex spürte eine kalte Woge Adrenalin durch seinen Körper schießen, als er in Gedanken seine nächsten Schritte choreographierte. Der Beifahrer, offenbar gewillt, sich aus dem noch rollenden Lastwagen zu werfen, würde ihn erreicht haben, ehe der Fahrer sich einmischen konnte, somit stand es eins gegen eins – zumindest für kurze Zeit. Alex wollte nicht glauben, dass dies tatsächlich passierte, und doch war es so, und er wusste, dass er damit fertig werden musste.
    Von kalter Wut gepackt wappnete er sich gegen das Unvermeidliche.
Alles verlangsamte sich, bis jeder Schlag seines Herzens eine Ewigkeit zu dauern schien. Er sah die Armmuskeln des Mannes hervortreten, als dieser die Tür aufhielt. Als Reaktion darauf spannten sich auch Alex’ Muskeln an, bereit, sich der Gefahr zu stellen. Ein Kokon aus Stille legte sich um seinen Verstand.
    Just als der stämmige Beifahrer sein Bein aus der offenen Beifahrertür herausschwang, wurde seine Aufmerksamkeit von einem blinkenden Blaulicht und dem plötzlichen Aufheulen einer Sirene abgelenkt. Ein Streifenwagen schoss mit quietschenden Reifen quer über die Kreuzung, in einem Stil, der die Vermutung nahelegte, dass die Kapriolen des Lastwagens den Ärger seiner Besatzung erregt hatten. Er hatte, von einer Hecke verdeckt, am Rand der Einfahrt des Parkplatzes gegenüber gestanden. Im Vorüberrasen hatten die beiden Männer das geparkte Einsatzfahrzeug, das den Verkehr beobachtete, offenbar nicht bemerkt. Der seinen Gedanken nachhängende Alex ebenfalls nicht.
    Der Lautsprecher erwachte knackend zum Leben. »Fahren Sie rechts ran!«
    Schlagartig schien die Welt wieder über ihn hereinzustürzen.
    Eine Wolke aus Staub hinter sich wurde der weiße Lastwagen des Klempnereibetriebs langsamer und rollte ein Stück

Weitere Kostenlose Bücher