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Radegunde von Thueringen

Radegunde von Thueringen

Titel: Radegunde von Thueringen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Knodel
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willst du das laut aussprechen?“
    Der Soldat gab ein abfälliges Grunzen von sich. „Mischt sich die Maus in den Streit zweier Kater ein? Doch erinnert euch: Es ist jetzt etliche Jahre her, dass König Baderich plötzlich starb. Hieß es damals nicht auch, seine Brüder hätten ein wenig nachgeholfen?“
    Radegunde wagte kaum zu atmen. Ihr Herz schien in ihrer Kehle zu schlagen. Von ihrem Oheim Baderich hatte sie gehört. Er war der Herrscher über den südlichen Teil des Thüringer Reiches gewesen.
    „Es ist nicht gut, wenn ein König drei Söhne hat!“, sagte der Mann, den sie Addin genannt hatten.
    „Doch wenn der einzige Sohn, den ein König hat, noch ein Kleinkind ist“, entgegnete der dritte Soldat, „kann das auch ins Unglück führen! Doch lasst uns endlich trinken, sonst gehen wir heute nüchtern aufs Stroh!“
    Bierkrüge schepperten erneut und Radegunde nutzte den Lärm, um aus der Nähe der Hütte zu verschwinden. Ihre Gedanken schwirrten wie Bienen, die aus dem Stock gescheucht werden. Sollte ihr Oheim den Vater ermordet haben, um das ganze Reich zu beherrschen? Doch warum gerade jetzt, wo sie so sehr von den Franken bedrängt wurden?
    Konnte sie Besa danach fragen? Die Zwergin war schlau, doch wusste sie genug über solch geheimnisvolle und verzwickte Dinge?
    Sie näherte sich dem Haupthaus. Schon wieder hörte sie streitende Männerstimmen.
    „Das ist viel zu gefährlich! In Richtung Sonnenuntergang treiben sich noch immer fränkische Truppenteile herum!“ Das war Germars befehlsgewohnte Stimme.
    „Aber er war ein großer König! Er sollte wenigstens in der Nähe der heiligen Sümpfe bestattet werden!“ Die salbungsvolle Art zu reden verriet Alwalach, den Hohen Priester, der jetzt, da der König tot war, sogar Oberster Priester war.
    „Wenn die Franken uns überfallen, werden wir nicht mehr dazu kommen, ihn zu bestatten!“ Germar klang ungeduldig, als hätte er dieses Argument schon mehrmals benutzt. „Seit der große Gotenkönig Theoderich tot ist, werden diese Bastarde von Jahr zu Jahr frecher.“
    „Wir müssen einen Kompromiss finden.“ Gorricks ölige Stimme ließ Radegundes Schritt stocken. Dem Schatzmeister ihres Vaters wollte sie jetzt nicht begegnen. Doch es war bereits zu spät. Laban, Vaters großer Wolfshund, kam aus einer Ecke des Raumes freudig auf sie zugelaufen. Die Männer wandten den Kopf.
    „Radegunde, was führt dich her?“ Germar lächelte mitfühlend.
    Gorrik erhob sich leicht von seiner Bank und deutete eine Verbeugung an. Radegunde ignorierte ihn und streifte den Obersten Priester mit einem scheuen Blick. Je drei blutrote Streifen verliefen auf seiner Stirn und seinen Wangen, seine schwarz umrandeten Augen leuchteten wie die eines Wolfes. Die langen grauen Haare trug er zu kleinen Zöpfen geflochten, die mit Federn des Eichelhähers gespickt waren. Eine Kette aus Wolfszähnen zierte seine nackte Brust. Schaudernd wandte sie sich ab.
    „Ich möchte wissen, was nun aus uns werden soll. Ich meine, Bertafrid und ich, wir … “
    Germar nickte. „Wir haben eben darüber gesprochen. Alwalach meint, am Hofe deines Onkels Herminafrid wäret ihr am besten aufgehoben.“ Vertraulich zwinkernd flüsterte er ihr zu: „Dort wird auch der Königshort hingebracht, und wenn der dort sicher ist, seid ihr es auch!“
    Der Königshort, der kostbare Schatz ihres Volkes, dessen Grundstein ihr Urgroßvater Bisin gelegt hatte, sicherte seinem Besitzer die Macht über Thüringen zu. Nur ein einziges Mal hatte der Vater ihr erlaubt, den unermesslichen Prunk zu sehen, der in einer ständig bewachten Hütte aufbewahrt wurde. Überwältigt von der Zahl der an den Wänden aufgestapelten eisenbeschlagenen Truhen und geblendet von deren Inhalt, hatte sie sich nur eine Kostbarkeit besonders eingeprägt. Das war ein fein gearbeiteter Trinkkelch aus purem Gold, besetzt mit kirschfarbenen Rubinen, die im Dämmerlicht der Hütte von selbst zu leuchten schienen. „Ein Geschenk des Hunnenkönigs Attila!“, hatte ihr der Vater damals stolz erklärt.
    „Wir sollten den Hort und die Kinder so schnell wie möglich von hier fortbringen.“ Gorriks Worte wanden sich zischelnd wie kleine Schlangen an Radegundes Ohr. „Mit einem starken Aufgebot an Soldaten würde ich den Transport begleiten. Gleich morgen könnten wir losreiten.“ Er vermied es, Radegunde anzusehen.
    „Wir werden nirgendwohin gehen, bevor mein Vater nicht bestattet ist!“, fuhr Radegunde ihn an.
    Er lächelte

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