Radieschen von unten
gemütlich, aber pass beim Kreuzen bitte auf den Großbaum auf.«
»Das ist ja wohl selbstverständlich«, meinte Alex ein wenig großspurig.
Sie hatte es kaum ausgesprochen, da war es auch schon passiert. Weil die kleinen kabbeligen Wellen so hell in der Sonne glitzerten, hatte sie sich ein wenig aufgerichtet, um in der Tasche nach der Sonnenbrille zu suchen. Da schlug ihr der Großbaum an den Kopf.
Zum Glück war es nur ein Streifschuss, dennoch wäre sie beinahe über Bord gegangen. So ging lediglich die Sonnenbrille über Bord, während es Alex gelang, sich mit einer Hand am Bootsrand festzuhalten. Mit der anderen hielt sie sich den Kopf. Sie sah, wie Constantin entsetzt zu ihr herüberschaute und dann in Windeseile versuchte, das Boot in eine sichere Position zu bringen. Er holte die Fock back, fierte die Schoten auf und drückte die Ruderpinne weg.
Alex schloss die Augen. Vor Schmerz, aber noch mehr vor Scham.
Sie spürte, wie das Boot an Fahrt verlor, schließlich halbwegs gemächlich auf den Wellen schaukelte.
»Alles in Ordnung?«, fragte Constantin besorgt. Er befühlte die Stelle an ihrem Kopf, wo der Großbaum sie gestreift hatte.
»Das wird eine schöne Beule geben«, meinte er und ließ seine Hand etwas länger als nötig in ihren Haaren.
Alex wusste nicht, ob sie lachen oder weinen sollte. »Meine Segelkünste sind wohl ziemlich eingerostet. Ich darf zu meiner Entschuldigung anbringen, dass mein letzter Törn schon zehn Jahre zurückliegt.«
»Eigentlich mussten sich deine Segelkünste ja nur darauf beschränken, dem Großbaum zu entgehen, keine so große Kunst.« Der Schalk blitzte in seinen blauen Augen, und er lachte.
Alex lachte mit, wenn auch ein wenig verlegen. »Offenbar noch zu viel verlangt nach so langer Zeit.«
»Dann sollten wir oft zusammen segeln, damit du wieder Routine bekommst. Und wenn die Saison vorbei ist, gibt es andere Möglichkeiten für gemeinsame Unternehmungen.«
Er wurde ganz plötzlich ernst, und die Farbe seiner Augen veränderte sich. »Ich bin so froh, dass dir nichts weiter passiert ist, Alexandra.«
Er nahm sie in die Arme, und Alex ließ es sich gern gefallen. Sie schloss die Augen wieder und spürte seine Blicke auf ihrem Gesicht.
Eine kleine Ewigkeit später meinte sie: »Sollten wir nicht weitersegeln, sonst erreichen wir die Insel vielleicht nie.«
Constantin entließ sie behutsam aus seinen Armen, machte sich ans Werk, und kurze Zeit darauf flitzten sie über die Wellen. Das Ufer lag inzwischen weit hinter ihnen. Vor ihnen lag das Blau des Sees, und in einiger Entfernung tauchte die Insel auf. Constantin manövrierte das Boot in eine kleine sandige Bucht. Während er Alex’ Hand nahm, um ihr aus dem Boot zu helfen, meinte er: »Ich würde wirklich gern mehr Zeit mit dir verbringen.«
Alex zögerte. Ganz kurz nur, denn der Blick seiner Augen nahm sie gefangen.
»Ich auch mit dir«, meinte sie dann, »schon damit wir uns besser kennenlernen.«
Sollte Hubert doch seine Zeit mit Corinna und den schockierten Regenwürmern verbringen. Sie wollte noch viele Tage wie diesen mit Constantin erleben.
20.
Am folgenden Montag ging Elfie froh gelaunt nach Hause und betrachtete den Mops, der neben ihr hertrippelte, mit einem Anflug von Besitzerstolz. Montags und donnerstags gehörte Amadeus jetzt ihr. Das hatte sie heute mit Alex vereinbart.
In ihrer Wohnung angekommen, machte Elfie es sich in ihrem alten Ohrensessel bequem und nahm das Buch zur Hand, das Paul-Friedrich ihr geschenkt hatte.
»Komm her, Amadeus. Darin geht es um dich.«
Der Hund beendete seine Erkundungstour durch die Wohnung und ließ sich vor Elfies Sessel auf den Boden plumpsen.
»Der Mops wurde vor mehr als zweitausend Jahren im alten China gezüchtet. Es war ein Privileg der Kaiser, ihn besitzen und anfassen zu dürfen«, las sie laut vor.
»Du bist also etwas ganz Besonderes.« Sie bückte sich und streichelte das weich-glänzende Fell des Hundes.
Amadeus drehte sich auf den Rücken.
»Du möchtest wohl rundum Streicheleinheiten, was?« Elfie lachte und kraulte ihm den Bauch.
Als sie sich wieder aufrichtete, robbte Amadeus noch näher zu ihr heran und legte sich auf ihre Füße. Zuerst wollte Elfie ihn abschütteln, doch dann gefiel ihr die wohlige Wärme, und sie ließ ihn gewähren.
»Dieser intelligente, kompakte Hund verspürt eine starke Zuneigung zum Menschen und zu anderen Tieren, auf die er gern hinaufklettert, um dort genüsslich einzuschlafen«, las Elfie weiter vor
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