Rächer des Herzens (German Edition)
kühl berechnete Entscheidung getroffen hatte, Fürst Ernest zu heiraten. Marcus hatte ihr die Möglichkeit gegeben, ihren Schulden zu entgehen. Er schuldete ihr nichts mehr. Aber sie – sie schuldete ihm eine Erklärung der Vergangenheit und auch eine Abrechnung für die Gegenwart. Wenn er ihre Gläubiger befriedigte, dann würde sie ihm noch viel mehr schulden.
Seine Aufgabe hier war fast beendet. Er hatte ohnehin die Absicht gehabt, seine Freilassung innerhalb einer Woche zu erwirken; es war sogar innerhalb weniger Tage möglich. Wahrscheinlich war ein früherer Zeitpunkt vorzuziehen. Isabellas Besuch und ihre Großzügigkeit hatten die Neugier anderer geweckt, was er sich nicht leisten konnte. Es wurde schon über die Schönheit seiner Frau geredet, und Vermutungen über ihre wahre Identität machten die Runde. An einem solchen Ort konnte nichts geheim bleiben.
Marcus starrte immer noch auf das kleine vergitterte Fenster mit dem Stück blauen Himmels. Er machte sich keine Illusionen darüber, dass Isabella nicht begeistert sein würde, wenn sie ihn in Freiheit sähe. Wenn er aus dem Gespräch mit ihr etwas gelernt hatte, dann war es die Gewissheit, dass die Fürstin Isabella Di Cassilis – oder genauer, die neue Countess of Stockhaven – von einem Ehemann nur den Namen wollte.
Er lachte in sich hinein. Die Arme! Den Namen würde sie bekommen. Aber zwischen ihnen gab es noch etwas zu klären.
Marcus ließ sich Feder und Tinte geben, wobei er großzügig eine von Isabellas Guineen für das Vorrecht ausgab, den Brief unverzüglich an eine Adresse in der Brook Street gehen zu lassen.
Es handelte sich um eine kurze Notiz:
Alistair, ich habe meine Pläne geändert. Ich verlasse mich darauf, dass du mich baldmöglichst hier herausholst. Besten Dank, S.
Marcus hielt inne. Dann machte er einen Zusatz:
P.S. Bitte finde für mich heraus, wenn du so freundlich sein willst, wer die wichtigsten Gläubiger der Fürstin Di Cassilis sind.
Der Kerkermeister stand bereit, den Brief entgegenzunehmen. Marcus wusste, dass der Mann seinen Auftrag ausführen würde. Die Kerkermeister im Fleet-Gefängnis hatten ein feines Gespür für Autorität und – in Marcus’ Fall – für eine Wendung des Schicksals.
Dieser Mann, das wussten sie, würde recht bald frei sein.
4. KAPITEL
Mr. Churchward Senior, von der berühmten Londoner Anwaltskanzlei Churchward & Churchward, verfügte über eine anspruchsvolle gehobene Klientel. Dessen ungeachtet war er überrascht, am nächsten Morgen den Besuch von keiner geringeren Persönlichkeit als der Fürstin Isabella Di Cassilis zu erhalten. Er hatte die Fürstin erst am Tag zuvor gesehen, als er der traurigen Pflicht nachkam, sie von den ungeheuren Schulden ihres verstorbenen Mannes in Kenntnis zu setzen. Sie hatte die Nachricht gefasst aufgenommen und versprochen, den Anwalt in Kürze über die Schritte zu unterrichten, die sie unternehmen würde, um die Summe zu begleichen. Wie es schien, hatte sie bereits eine Lösung gefunden.
Mr. Churchward kam ihr mit ausgestreckter Hand entgegen. Hätte Fürstin Isabella nicht bereits Platz genommen, so wäre er zweifellos für sie mit einem Staubtuch über den Stuhl gefahren. Obwohl der Anwalt immer beteuerte, dass er seine Klienten völlig gleich behandelte, hatte er für Fürstin Isabella doch eine ganz besondere Schwäche.
„Madam!“ Er nahm ihre Hand und schüttelte sie herzlich. „Sie hätten es nicht auf sich zu nehmen brauchen, mich in meiner Kanzlei aufzusuchen. Es wäre mir ein Vergnügen gewesen, Ihnen meine Aufwartung zu machen.“
„Ich würde nie auch nur im Entferntesten daran denken, Ihnen eine solche Mühe zu bereiten, Mr. Churchward“, sagte Isabella mit einem bezaubernden Lächeln, das ihn bis in die Zehenspitzen wohlig erschauern ließ. „Dies hier ist eine einfache Angelegenheit und wird nur kurze Zeit in Anspruch nehmen. Ich bin gekommen, um meine Schulden zu begleichen, und wollte Sie auch fragen, ob Sie wegen Henshalls für mich tätig werden würden.“
„Selbstverständlich!“ Dem Anwalt lief es kalt den Rücken hinunter bei dem Gedanken, dass eine Dame, die so zart war wie die Fürstin, ihren Fuß in das Kontor von Geldverleihern setzte. Nicht dass Fürstin Isabella ausgesprochen zerbrechlich zu sein schien. Einer Frau, die die Härten der Ehe mit dem schwachen und verantwortungslosen Fürst Ernest überlebt hatte, konnte man zu ihrem Durchhaltevermögen nur gratulieren. Mr. Churchward schüttelte den Kopf. Sein
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