Rächer des Herzens (German Edition)
Besser nicht. Isabella war schon im Aufbruch begriffen, und er wollte sie jetzt nicht aufhalten.
„Vielleicht könnten wir einen Termin für nächste Woche vereinbaren, Madam“, schlug er vor. „Ich würde gern die Gelegenheit ergreifen, Sie über die Einzelheiten Ihres Besitzes in Kenntnis zu setzen.“
Isabella nickte zustimmend.
„Vielen Dank, Mr. Churchward. Wäre Dienstag angenehm?“
Sie war schon halb aus der Tür heraus, nur ein Hauch ihres betörenden Parfüms blieb zurück.
Der Anwalt ging die Heiratsurkunde und die Schuldübernahmeverpflichtung ein drittes Mal durch. Verstohlen griff er zur Schublade seines abgenutzten Schränkchens, in der für Notfälle eine Flasche Sherry versteckt war. Wenn es je einen gab, dann war das jetzt wirklich ein ausgewachsener Notfall. Er überlegte einen Augenblick. Es wäre sicher besser, die Angelegenheit Henshall zuerst zu erledigen. Diesen äußerst rücksichtslosen Geldverleihern erklären zu müssen, warum sie die Schulden der Fürstin Isabella Di Cassilis nicht mehr würden eintreiben können, war beileibe keine angenehme Aufgabe. Mr. Churchward langte nach seinem Hut und steckte die Heiratsurkunde in seine Westentasche. Manchmal hatte er das Gefühl, dass er für die Mühen seiner Tätigkeit nicht genügend bezahlt wurde. Für Fürstin Isabella Di Cassilis jedoch würde er fast alles tun.
Eine Stunde später wankte Mr. Churchward wieder die Treppe zu seiner Kanzlei hinauf. Wenn er vorher schon blass gewesen war, so war er jetzt kreidebleich. Er ging sofort zu seinem Schränkchen, holte den Sherry heraus und widerstand gerade noch der Versuchung, direkt aus der Flasche zu trinken. Zu seinem großen Erstaunen waren die Gebrüder Henshall erfreut gewesen, ihn zu sehen. Nur eine Stunde vorher hatte sie ein Gentleman besucht, der die Schulden der Fürstin Isabella Di Cassilis vollständig und in bar beglichen hatte. Alle waren rundum zufrieden.
Mr. Churchward lehnte sich in seinem Sessel zurück und ließ sich vom Sherry wärmen. Er versuchte, den rätselhaften Fall zu verstehen. Fürstin Isabella hatte ihm zu verstehen gegeben, dass ihr neuer Ehemann hinter Schloss und Riegel saß und auch auf absehbare Zeit nicht freikäme. Aber Churchward hatte bei seinem Besuch bei dem Geldverleiher erfahren, dass der Gentleman nicht nur auf freiem Fuß war, sondern sogar die Schulden der Fürstin bezahlt hatte.
Er fragte sich, warum um alles in der Welt sie ihm die wahre Identität ihres Mannes nicht genannt hatte.
Genauso rätselhaft war es ihm, was Marcus Stockhaven, einer der reichsten Männer des Ton , im Fleet-Gefängnis zu tun gehabt hatte.
Und gänzlich unverständlich war ihm, warum seine beiden bedeutendsten Klienten anscheinend eine Zweckehe eingegangen waren und nun von ihm erwarteten, eine Nichtigkeitserklärung in die Wege zu leiten.
„Wie sehe ich aus?“
Marcus Stockhaven neigte vor dem Spiegel in seinem Salon den Kopf zur Seite, um den Sitz seines Halstuches besser einschätzen zu können.
„Wie jemand, der drei Monate mit dem Versuch zugebracht hat, sein Halstuch in einem dunklen Keller zu binden“, antwortete sein Freund Alistair Cantrell unverblümt.
Marcus lächelte verschmitzt. „So schlecht?“ Er betrachtete sich nachdenklich und strich mit der Hand über den dunklen Kinnschatten. „Ich brauche einen Barbier.“
„Du brauchst mehr als das.“ Alistair sah sich um. „Wo ist dein Kammerdiener?“
„Ich habe allen Bediensteten für die Zeit meiner Abwesenheit freigegeben“, antwortete Marcus. „Übrigens“, fragte er scherzhaft, „wieso denkst du eigentlich, dass der Weinbrand dir gehört?“
Er beobachtete Alistair, wie der sich trotz seiner Körpergröße in den Sessel neben dem Kamin zwängte. Stockhaven House war im Vergleich zu anderen Londoner Herrensitzen klein und gänzlich unauffällig. Die Earls of Stockhaven hatten es nie für nötig befunden, Wohlstand und vornehme Herkunft zur Schau zu stellen, und Marcus bildete dabei keine Ausnahme. Selbstverständlich kam ein solches Haus nicht ohne Dienstboten aus, die alles Notwendige in die Hand nahmen. Und so war der Salon kalt, denn der Juniabend war überraschend kühl und feucht. Im Kamin brannte kein Feuer. Dicker Staub lag auf den Kirschholzmöbeln, und das ganze Haus sah vernachlässigt aus.
„Also“, sagte Alistair, wandte sich von seinem Weinbrand ab und sah Marcus prüfend an. „Wieso hast du deine Pläne geändert?“
Marcus zuckte die Achseln. „Mein Vorhaben
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