Rächer des Herzens (German Edition)
„Oh, Tante Jane und ich müssen wohl einfach vergessen haben, es in unserer Korrespondenz zu erwähnen.“
Isabella zögerte mit der Antwort. In Pens Stimme war ein seltsamer Unterton, und sie konnte das Gefühl nicht unterdrücken, dass etwas nicht stimmte, so als ob irgendetwas unausgesprochen geblieben wäre. Sie wartete darauf, ob Pen noch etwas sagen würde. Pen aber vermied es, ihre Schwester anzusehen, und hantierte mit dem Teelöffel, wobei sie ganz in Gedanken Honig über die Untertasse verkleckerte.
„Ich schließe daraus, dass Mr. Churchward die Angelegenheit dir gegenüber überhaupt nicht erwähnt hat?“, fragte Pen dann.
Isabella sank in sich zusammen. Sie erinnerte sich daran, wie Churchward ihr bei ihrem ersten Besuch tatsächlich etwas über die Lasten hatte sagen wollen, die mit dem Anwesen verbunden waren. Aber sie hatte dies mit einer Handbewegung abgetan. Die Nachricht von Ernests Schulden hatte alles andere verdrängt, sodass ihr die Einzelheiten von Salterton nicht weiter wichtig erschienen waren. Es sah nun ganz so aus, als ob dieses Versehen sich als sehr kostspielig herausstellen würde. Überdies schien es, dass mehr Dinge sie mit Marcus Stockhaven verbanden, als sie vorausgesehen hatte. Und keines davon war willkommen.
„Nein, das hat er nicht“, antwortete Isabella gereizt. „Das ist unerträglich!“
Pen hob die Augenbrauen. „Dass Churchward vergessen hat, es dir zu sagen?“
„Nein! Ja!“ Sie versuchte mit Mühe, sich zu sammeln. „Doch, ich erinnere mich, dass er etwas von einem Pächter gesagt hat, aber ich habe ihn nicht zu Wort kommen lassen.“
„Aha …“ Pen schien sehr daran zu liegen, das Thema nicht weiter zu verfolgen. „Ich denke, Marcus wird dich nicht oft stören. Salterton Cottage wäre vor einigen Monaten beinah niedergebrannt, sodass es nun unbewohnbar ist. Außerdem zieht Marcus es vor, anderswo zu wohnen – oder auch zu reisen. Man sieht ihn selten in Gesellschaft. Ich weiß nicht einmal, wo er sich jetzt aufhält.“
Im Fleet-Gefängnis wegen seiner Schulden, sagte Isabella zu sich selbst.
Sie schluckte eine Fülle unangenehmer Gefühle hinunter und zwang sich zur Ruhe. Wichtig war es jetzt nur, Marcus für immer hinter Schloss und Riegel zu wissen. Wenn er jemals frei sein sollte … Der bloße Gedanke daran ließ sie innerlich erzittern.
Andererseits stand sie vor einem Rätsel. Was hatte Marcus’ finanzielle Situation so trostlos werden lassen? Sie hatte ihn gefragt, aber er hatte eine Erklärung verweigert, und sie hatte nicht darauf bestanden. Jetzt wünschte sie, sie hätte es.
„Ich denke, Marcus wird dich nicht oft stören …“
In Wirklichkeit fühlte sie sich durch Marcus Stockhaven schon viel heftiger gestört, als Pen jemals würde wissen können.
Pens Redefluss brachte Isabella in die Gegenwart zurück.
„Ich garantiere dir“, sagte sie gerade, „dass irgendein Landedelmann dich wegschnappen wird. Ein Mann mit Vermögen und Ansehen in der Gesellschaft von Salterton, der für die Weiterentwicklung des Kurortes große Pläne hat. Und der sich nur noch eine Frau mit Titel wünscht, um sein Ansehen zu steigern.“
„Das möge Gott verhüten!“, sagte Isabella und schüttelte sich. „Ich fürchte, ein so aufrechter Mann müsste sich mit mir nur schämen.“
Ihre Schwester sah sie an. „Es stimmt“, gab sie zu. „An dir ist etwas …“, sie zögerte, „… zu Kultiviertes, als dass du dich an einem kleinen Ort mit einem kleinstädtischen Mann so einfach bequem zurücklehnen könntest. Du willst immer etwas Skandalträchtiges machen und die Ortsgrößen damit aufscheuchen. Ich kenne dich.“
„Ich bin nicht skandalträchtig!“, wehrte Isabella sich. „Ernest war das.“
In dem Augenblick ließ sich ein lärmendes Geräusch vom Eingang her vernehmen. Demnach war das einzig andere Mitglied der Familie Standish angekommen. Belton stieß die Tür zur Bibliothek auf. „Lord Standish“, verkündete er mit einem Höchstmaß an todernster Gelassenheit, so als ob der Abend nur noch schlimmer werden konnte.
Wie seine Schwestern, so hatte auch Freddie Standish ein anziehendes Äußeres. Er war blond und schlank und vor allem bei älteren Damen beliebt, solange er nicht den Versuch unternahm, sein Glück durch die Hochzeit mit einer ihrer Töchter zu machen. Mit Pen teilte er sich das bescheidene Haus in Pimlico und arbeitete, zumindest nach außen hin, für einen Bankier, der für repräsentative Zwecke einen Gentleman
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