Rajin (Drachenfluch Erstes Buch) (DrachenErde - 6bändige Ausgabe) (German Edition)
stehen. „Du hast dir zwar viel Mühe gegeben, keinen Lärm zu machen, aber du warst trotzdem nicht leise genug, denn ich habe einen nur sehr leichten Schlaf." Bratlor hielt etwas in der Hand. Es handelte sich um zwei längliche Gegenstände. Einen davon reichte er Rajin. „Du hast deinen Bogen vergessen." Rajin ergriff den Köcher aus Schneerattenfell, in dem ein Reflexbogen mit gut zwei Dutzend Pfeilen steckte. „Hat man dir nicht beigebracht, dass man niemals ohne Bogen ins Reich Fjendurs reiten soll, Bjonn Dunkelhaar?"
„Danke, Bratlor."
„Lass uns keine Zeit verlieren. Mein Angebot, dich zu begleiten, war nicht einfach so dahingesagt."
„Das weiß ich."
„Und trotzdem wolltest du dich einfach so davonstehlen?" Er schüttelte den Kopf.
„Schick ihn fort!", wisperte die Stimme des Weisen Liisho in Rajins Kopf. „Geh allein!"
Rajin schluckte. „Fürchtest du nicht das Unheil, das Winterborg meinetwegen heimgesucht hat?"
Bratlor schüttelte den Kopf. „Erstens müsstest du mich eigentlich gut genug kennen, um zu wissen, dass ich keineswegs ein besonders ängstlicher Mann bin …"
„Das habe ich damit auch keineswegs sagen wollen", stellte Rajin sofort klar, denn unter Seemannen war es so ziemlich die größte Beleidigung, wenn man den Mut seines Gegenübers anzweifelte.
„Nichts für ungut“, winkte Bratlor ab. „Außerdem stehe ich tief in deiner Schuld. Du hast während des Kampfes gegen die Wassermenschen mein Leben gerettet."
„Ich bin überzeugt davon, dass du dasselbe für mich getan hättest", entgegnete Rajin.
„So gib mir Gelegenheit dazu, Bjonn Dunkelhaar. Gib mir Gelegenheit dazu, indem ich dich begleite und vor den Dummheiten bewahre, zu denen man in deinem unerfahrenen Alter leider neigt."
Rajin fielen keine Gegenargumente ein. Außerdem wollte er Winterborg so schnell wie möglich verlassen. Wenn sie noch weiter hier herumstanden und sich stritten, würde man seine Flucht noch entdecken. Ihm blieb einfach keine Zeit.
Also wurde eine zweite Riesenschneeratte gesattelt. Rajin half Bratlor dabei, dann führten sie ihre Reittiere aus dem Gatter. Eine der schlafenden Riesenschneeratten erwachte beinahe und stieß einen schrillen, durchdringenden Schrei aus, der in der ganzen Bucht zu hören sein musste. Dann aber rollte sich das Tier auf die andere Seite und schlief weiter.
Dass die Tiere hin und wieder derartige Laute von sich gaben, war nichts Ungewöhnliches und für niemanden Anlass, nach den Riesenschneeratten zu sehen.
Rajin und Bratlor kletterten auf ihre Reittiere. Dazu krallten sie sich am Fell fest, zogen sich hinauf und schwangen sich in die Sättel. Köcher und Bogen wurden am Sattel befestigt.
Rajin zog an den Zügeln, und das Tier unter ihm setzte sich in Bewegung. Langsam schob es sich voran, und Rajin wusste nur zu gut, woran diese Trägheit lag. Es war Sommer, und die Riesenschneeratten verloren das ganze Jahr über nicht ihr Fell, es sei denn, man scherte sie, um aus ihrer Körperbehaarung Wolle zu machen. Die ungezähmten Verwandten der Reittiere zogen sich nämlich im Sommer in kältere Regionen zurück. Die Seemannen von Winterland scherten aber immer nur einen Teil ihrer Riesenschneeratten, um jederzeit genügend Tiere zur Verfügung zu haben, mit denen sie zum Heiligtum Fjendurs im Inneren Winterland reiten konnten. Geschorene Riesenschneeratten standen nämlich die Temperaturen im Landesinneren auch im Sommer nicht durch.
Bratlor trieb sein Tier energisch vorwärts, indem er ein paar Schnalzlaute ausstieß, auf die die Riesenschneeratten empfindlich reagierten. Rajin tat es ihm gleich.
„Du hättest allein reiten sollen!“, meldete sich wieder die Gedankenstimme des Weisen Liisho. „Nun folge wenigstens dem Weg, den ich dir sage! Reite zum Heiligtum des Fjendur! Nur so wirst du die Mission erfüllen können, für die du ausersehen bist!“
Rajin hätte gern mehr erfahren. Aber der Weise hüllte sich wieder in beharrliches Schweigen. Stattdessen wurde Bratlor umso redseliger, nachdem sich die beiden Reiter weit genug von Winterborg entfernt hatten, um nicht mehr Gefahr zu laufen, dass ihre Worte vom Wind bis zu den Häusern getragen wurden.
Als die beiden Riesenschneerattenreiter die ersten Ausläufer der Gletscher erreichten, zügelte Rajin sein Reittier, drehte sich noch einmal im Sattel um und blickte zurück.
Eine Handvoll Lichter am Ozean – so wirkte Winterborg aus der Entfernung. Und die meisten dieser Lichter brannten gar nicht in dem
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