Rambo
der Streifenwagen schoß vorwärts. Kies spritzte auf das heiße, glatte Pflaster. Mit kreischenden Reifen machte Teasle eine scharfe Kehrtwendung und raste stadteinwärts. Diesmal hupte er nicht beim Vorbeifahren.
Rambo sah dem Wagen nach, der immer kleiner wurde und schließlich zwischen den beiden Felsklippen verschwand. Als er ihn nicht mehr sehen konnte, betrachtete er die Maisfelder, die fernen Berge und die weiße Sonne am nackten Himmel. Er ließ sich in den Straßengraben hinunter, streckte sich auf dem staubbedeckten Gras aus und machte seine Tüte auf.
Scheiß Hamburger! Er hatte extra um viel Zwiebeln gebeten und nur einen einzigen zerquetschten Zwiebelring bekommen. Die Tomatenscheibe war gelb und hauchdünn, die Semmel pappig, und das Hackfleisch bestand fast nur aus Knorpeln. Widerwillig kauend nahm er den Stöpsel von der Colaflasche und spülte die süßlich schmeckende Masse hinunter. Er mußte sich genügend Cola für beide Hamburger aufsparen, um sie nicht schmecken zu müssen, beschloß er.
Als er fertig war, stopfte er den Pappbecher und das Butterbrotpapier, in das die Hamburger eingewickelt gewesen waren, in die Tüte, zündete ein Streichholz an und steckte das Ganze in Brand. Er betrachtete die um sich greifenden Flammen und versuchte abzuschätzen, wie weit das Feuer kommen würde, bis er das brennende Papierzeug loslassen müßte. Die Flammen leckten an seinen Fingern und versengten die Haare auf seinem Handrücken, bis er die Tüte schließlich ins Gras fallen ließ, wo sie zu Asche verbrannte. Er trat die Glut mit dem Stiefel aus, vergewisserte sich, daß sie erloschen war, und verstreute die Asche. Mein Gott, dachte er, jetzt war er schon sechs Monate aus dem Krieg zurück und verspürte immer noch den unbewußten Zwang, die Reste einer Mahlzeit zu vernichten, um keine Spuren zu hinterlassen.
Er schüttelte den Kopf. Es war ein Fehler gewesen, an den Krieg zu denken. Es weckte sofort andere Kriegserinnerungen in ihm: die schlaflosen Nächte, das Erwachen beim kleinsten Geräusch, die Notwendigkeit, im Freien zu übernachten – und das Loch, in dem man ihn gefangen gehalten hatte, das alles war noch frisch in seiner Erinnerung.
»Du solltest dir etwas anderes ausdenken«, sagte er und wurde sich plötzlich bewußt, daß er laut mit sich selbst sprach. »Was machst du jetzt? Wohin soll es gehen?« Er blickte die Straße hinunter, die in die Stadt führte, dann in die entgegengesetzte Richtung – von der Stadt weg –, und sein Entschluß stand fest. Er packte den Strick, mit dem sein Schlafsack zusammengebunden war, schlang ihn über die Schulter und machte sich wieder auf nach Madison.
Am Fuße des Berges kurz vor der Stadt war die Straße von Bäumen gesäumt. Ein Teil der Blätter war grün, andere rötlich gefärbt. Die rötlichen Blätter waren an den Ästen, die über die Straße hingen. Die Autoabgase, dachte er. Die Abgase lassen sie sehr bald absterben.
Hier und dort lagen tote Tiere am Straßenrand – wahrscheinlich überfahren. Aufgedunsen und von Schmeißfliegen umschwärmt, lagen die Kadaver in der Sonne. Zuerst sah er eine Katze mit Tigerstreifen – sie sah sogar aus, als sei sie einmal eine recht hübsche Katze gewesen, dann einen Cockerspaniel; etwas weiter lag ein Kaninchen und als nächstes kam ein Eichhörnchen. Das war auch so etwas, was der Krieg mit sich gebracht hatte. Tote Geschöpfe erregten seine Aufmerksamkeit mehr als früher. Keinen Abscheu – nur Neugierde, wie sie wohl umgekommen waren.
Er ging auf der rechten Straßenseite, vorbei an den Kadavern, und hielt hin und wieder den Daumen hoch, um ein Auto anzuhalten. Seine Kleidung war mit gelbem Staub bedeckt, Haar und Bart verfilzt und schmutzig. Die Leute, die vorbeifuhren, warfen ihm nur einen kurzen Blick zu, und keiner hielt an. Warum versuchst du nicht, einen etwas besseren Eindruck zu machen, dachte er. Rasiere dich doch und lasse dir die Haare schneiden. Bring deine Kleidung in Ordnung. Dann wird dich eher einer mitnehmen. Darum: Rasierzeug ist nur Ballast, der dir hinderlich sein würde, und ein Haarschnitt kostet Geld, das du für Essen brauchst. Und wo sollst du dich rasieren? Man kann schließlich nicht im Freien übernachten und immer noch wie eine Modepuppe aussehen. Aber wozu eigentlich die ganze Landstreicherei und das Übernachten in den Wäldern? Und damit war er in Gedanken wieder im Krieg. Denk doch mal an was anderes, sagte er sich. Warum änderst du nicht die Richtung und
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