Rambo
Körper wegschmelzen und nur seine Seele über die Büsche schweben. Am Fuße des Hügels hielt er an, von den Flammen in leuchtende Farbreflexe getaucht. Jetzt war es soweit. Es blieb ihm keine Zeit mehr. Wie von einem fremden Willen gelenkt, hob er den Arm und richtete seine Pistole auf den Hügel.
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Die Gefühllosigkeit in Rambos Körper breitete sich immer weiter aus. Von oben ging sie ihm bis an die Schultern, und von unten bis hinauf zum Nabel. Es war, als hielte er den Revolver mit zwei Holzstümpfen. Er zielte auf Teasle, den er dreifach sah, und wußte, daß er den richtigen Entschluß gefaßt hatte. Kein passives Wegsinken ins Nichts. Keine Lunte, kein Dynamit. Dies war der beste und sauberste Weg Teasle im Kampf zu töten. Er konnte sich nicht länger auf seine Augen und seine Hände verlassen und glaubte kaum, daß er ihn treffen würde. Aber er mußte es versuchen. Wenn er ihn verfehlte, würde Teasle sein Mündungsfeuer sehen und in seine Richtung schießen. Dann habe ich es wenigstens versucht und bin dabei getötet worden, dachte er. Der Lauf seines Revolvers schwankte hin und her. So würde er ihn nie treffen. Aber er durfte ihn nicht verfehlen. Er mußte sich anstrengen. Er drückte den Abzug mit aller Kraft, die er aufbrachte. Ein Schuß löste sich. Wie ungeschickt und nachlässig von ihm. Es war nicht der Zweikampf, auf den er gehofft harte. Jetzt, wo er es nicht verdiente, würde ihn Teasles Kugel treffen. Er wartete. Teasle hätte längst schießen müssen. Er zwinkerte mit den Augen, um besser sehen zu können, und sah Teasle flach am Boden im Gestrüpp liegen. Gott im Himmel, er hatte ihn wirklich getroffen. Er hatte es gar nicht gewollt. Er war bereits so benommen, daß er das Dynamit nicht mehr zünden konnte. Welch ein ärmlicher, elender Tod stand ihm bevor. Und dann kam das Ende. Nicht langsam und schleichend, wie er erwartet hatte, sondern eher wie eine Explosion. Es war im Kopf, nicht im Bauch, wo er das Dynamit hatte, und das konnte er nicht begreifen. Es war erschreckend. Ein heller, leuchtender Blitz, auf dem er dahinschwebte. Wenn er weit genug reicht, dachte Rambo, bekomme ich Gott vielleicht doch noch zu sehen.
23
Also gut, dachte Teasle. Also gut. Er lag im Gestrüpp auf dem Rücken, blickte zu den Sternen hinauf und fragte sich immer wieder, was ihn getroffen hatte. Er konnte es sich nicht erklären. Er hatte einen Schuß aufblitzen sehen, und dann war er umgefallen. Ganz langsam und sanft war er umgesunken und hatte nichts gespürt. Er dachte an Anna, ließ es aber gleich wieder sein. Nicht, weil die Erinnerung ihn schmerzte, sondern weil es ihm einfach nicht wichtig genug erschien.
Dann hörte er jemand durchs Gebüsch brechen. Jetzt kommt der Junge, dachte er. Aber langsam, sehr langsam. Natürlich, er ist ja schwer verwundet.
Aber es war nur Trautman. Seine Uniform glänzte im Schein der Flammen, aber er sah Teasle mit trübem Blick an. »Wie fühlen Sie sich?« fragte Trautman. »Ist es schlimm?«
»Nein«, erwiderte er. »Eigentlich ein ganz angenehmes Gefühl. Solange ich nicht daran denke, was danach kommt. War das eben eine Explosion? Es hörte sich an, als ob noch eine Tankstelle in die Luft gegangen wäre.«
»Nein, das war ich. Ich habe geschossen.«
»Und wie fühlten Sie sich dabei?«
»Besser, als wenn er unter Schmerzen gestorben wäre.«
»Ja.«
Trautmann ließ die leere Patronenhülse ausschnappen, und Teasle sah zu, wie sie glitzernd in hohem Bogen durch die Luft flog. Er mußte wieder an Anna denken, aber es interessierte ihn eigentlich gar nicht. Er dachte an sein Haus, das er in den Bergen gebaut hatte, an seine Katzen – aber auch das interessierte ihn kaum noch. Dann dachte er an den Jungen, und eine große Liebe überkam ihn. Die leere Patronenhülse landete am Boden. Teasle war tot.
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