Ratings, Ratings, Ratings (German Edition)
Schreibtisch stand.
„Heute sollten wir mal ein gemeinsames Team-Meeting halten“, sagte dieser über den aktivierten Telefonlautsprecher. „Schließlich stellen die Länderratings in den meisten Fällen die Rating-Obergrenze für die dort ansässigen Unternehmen dar“. „Danach habt ihr dann wieder genug Arbeit“, fügte er noch lachend hinzu.
„ Hah, geht doch“, dachte ich laut, aber immerhin auf Deutsch. Ich hatte gewonnen. Das wusste ich schon jetzt. Als ob es darum ginge.
„Lass uns zusammen einen Kaffee trinken“, sagte John ein wenig hilflos.
Kaffee ist immer gut, dachte ich. Aber nicht in dieser Situation, wusste ich.
Der dritte Kaffee für mich an diesem Tag ging so durch und entpuppte sich als das erwartete Gelöchere. Mich beschlich zunehmend das Gefühl, dass John mich aushorchte.
„Da haben wir wohl ein paar Ratings, die überarbeitet werden müssen“, sagte Mike eine Stunde später. Wie ich erwartet hatte und in diesem Fall auch erhofft hatte. Nun mussten einige hunderte Ratings überprüft werden.
Mac nickte. Mac war auch Mitglied vom Rating-Komitee für Versicherungen. Er war einer von acht Experten, die ihre Stimme für das endgültige Rating gaben. Er widmete seine Arbeit den Ratings von Versicherungsunternehmen in allen Sparten, war allerdings eigentlich Lebensversicherungsexperte. Seit er in der Agentur tätig ist, ist die Anzahl der Ratings in Zahlen stark gestiegen. Was man über deren Ergebnisse nicht gerade sagen kann.
„ Wir müssen alle Ratings überprüfen“, sagte er gerade. „Wir wissen alle, dass sehr viele Staatsanleihen eigentlich nicht mehr sicher sind. Für diese Fälle sollten wir „Was wäre wenn“- Szenarien einbauen. Wir können ja schließlich keine Gesetze neu schreiben“.
„Hah“, dachte ich . Dieses Mal leise. Endlich, sagt es einmal laut. Nun wird John es auch wohl einsehen.
„Wir teilen die Arbeit auf. Jeder überprüft einige. Ich habe hier eine Liste ausgearbeitet und auch sinnvolle Szenarienbeispiele vorgegeben – was aus den Ergebnissen wirklich wird, diskutieren wir dann am Ende der Woche. Solange bleibt alles andere unbearbeitet auf dem Schreibtisch liegen“.
Richt ig! Und eine klare Ansage. Gut, dass wir so einen Ober-Chef haben.
Als ich mein fünftes zugewiesenes Rating prüfen wollte, wollte meine Konzentration aber nicht mehr. Der Bildschirm flackerte vor meinen Augen und die Schrift tanzte vor meiner Nase herum. Ich musste zugeben, dass ich dringendst eine Pause und auch Futter brauchte.
Und das beste Essen gibt es unten (in der Einkaufspassage) bei wagamama, der Mutter meiner heißgeliebten japanischen Nudelküche, Fernweh an grauen Londontagen inklusive. In meinen Magen passten locker 10 Dumplings rein (einer hatte in etwa die Größe einer schwäbischen Maultasche), von denen ich noch nirgends bessere gegessen habe. Und mit nirgends meine ich nirgends. Selbst in Japan beim Edeljapaner waren die nicht so gut gewesen. Meine sind immer die, die mit Krabben gefüllt sind. Danach hatte ich auch heute noch Platz für meinen heißgeliebten Chicken Chilli Man, von dem ich auch nie genug kriegen konnte und den es im echten Leben einfach nicht gab.
Nach dem Essen zog ich den aufgeblähten Bauch ein und lief zurück in Richtung Büro. Aber da lag hier in der Shopping Mall mal wieder der Hase im Pfeffer. „Da unten ists echt fürchterlich“, dachte ich an meinen schrecklichen Deutschunterricht zurück, als ich am Schuhladen vorbeihuschte. Den Schuh sah ich trotzdem, denn ich kann denken und sehen gleichzeitig als Frau. Ich zog zwar noch schnell die rechte Augenbraue zur Seite, lächelte ihn dann aber doch noch von vorne an und verschwand kurz in den Laden. Eine kurze Minute nur.
Feuerrot grinste mich drinnen dieses Miststück an, weil er genau wusste, dass ich nur eine Frau bin. Ich steckte das neue Paar in meine eigene Tasche und ließ auch den Karton da, weil ich wusste, dass der Kollege gegenüber sonst wieder einen Spruch loslassen würde.
Ein Tag in Canary Wharf ist voller Klimaanlagenluft, hart arbeitender Kollegen und ohne echtes Tageslicht. Das ist wirklich so und als Deutscher kann man sich das hier nicht so richtig vorstellen. Aber von der U-Bahn fährt man direkt mit der Rolltreppe in das Büro und vom Büro gibt es einen Aufzug direkt in die Einkaufspassage.
Am liebsten würde ich aus dieser Tretmühle abhauen. Aber auch heute gelingt es mir, ins Büro zurückzugehen. Dieses Mal sogar gut gelaunt und das nicht nur
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