Ratings, Ratings, Ratings (German Edition)
sich jedoch, stand er doch glatt hinter mir. „Das wird das Rating-Komitee freuen“, trompetete es in meine Ohren und jagte mir fast einen Herzinfarkt ein.
„Ohne A Rating wären die Makler der Versicherungsgesellschaft echt am Arsch gewesen. Das Rating-Komitee tagt noch heute!“.
Ich wage zu behaupten, dass meine Meinung dort nichts zählen wird, aber lege erst mal keinen Widerspruch ein.
Sieben and ere Kollegen werden heute auch noch dabei sein. Sie werden meine Auswertungen zur Vorbereitung nicht lesen, aber dann doch kritisieren und durch den Kakao ziehen, und das nicht nur, um sich zu profilieren. So ist das nun mal in einer Ellbogengesellschaft, in der andere liebend gern an deinem Stuhl sägen. Das kannte ich ja schon vom Festland, dieses Verhalten.
Während ich die E-Mail mit den Unterlagen im Anhang versehe, meldet e sich aber der weibliche rote Teufel in mir. „Die alten Dateien von gestern schicken“, befahl er mir streng.
Und auf die Diskussion , die mich dann im Komitee erwarten wird, habe ich schon jetzt Lust. Wahnsinnige Lust. In meinem Gesicht stand wahre Entschlossenheit.
Das Saufgelage gestern hatte ich überlebt, die heutige Diskussion gehörte nun mir und auch diese werde ich überleben. Es sind auch nur Menschen, die dort sitzen und ihren Kaffee mit Wasser kochen.
„Das klappt heute doch nicht mehr“, sagte John eine gefühlte Stunde, aber in Wirklichkeit einen fast überstandenen Arbeitstag später. Zumindest, wenn man den in Stunden misst. 6 Stunden war ich mittlerweile hier.
„Die meisten sind heute nicht verfügbar. N.V.! Müssen das Komitee auf morgen vertagen“.
Wie fast immer in der Londoner Finanzwelt arbeitete man hier mindestens zehn Stunden am Tag. Und das ist keine Übertreibung. Und die Unternehmen tun was dafür. Bleibst du bis 19 Uhr, kannst du dir umsonst Essen aus der Cafeteria an den Schreibtisch bestellen, Lieferung inklusive. Bleibst du bis 21 Uhr, kannst du auch schön bequem mit dem Taxi nach Hause fahren. Und das kann dann auch ruhig 100 Pfund kosten, weil du in der Pampa wohnst und dir trotz Schufterei kein Zimmer im Zentrum leisten kannst.
Mich kann aber zumindest heute nur noch der Feierabend nach 9 Stunden und damit immerhin zwei Überstunden ködern, wenn man die vertraglich festgelegten sieben Stunden als Maßstab nimmt.
Die Fahrt vom Büro nach Hause dauerte für mich ungefähr eine Stunde. In West Ham musste ich umsteigen, um den schnellen Zug mit Sitzplatz zu catchen. Das war mir zumindest heute lieber als mir in der immer vollen U-Bahn die Füße platt zu stehen.
Upminster liegt am Ende der D istrict Line und wirkt auf den ersten Blick wie ein eigenständiges kleines Städtchen. Gehört aber zum London Borough of Havering und gibt vielen Londonern in Zone 6 ein Zuhause. In diesem Stadtteil gibt es einige Lädchen und den einen oder anderen Pub, aber sonst nicht viel. Aber die U-Bahn kommt und parallel dazu die Eisenbahn. Dafür kriegt Upminster 100 Punkte. Nach Hause kommt man immer irgendwie.
Upminster weist eine Bevölkerung von 25.441 Einwohner n auf, zieht aber wahre Herden an. Rund 4,5 Millionen nutzen angeblich die U-Bahn jährlich hier, und 3,3 Millionen die Eisenbahn. Auch wenn man dies von 12 Monaten auf 1 Monat runterrechnet, erklärt das nicht, woher die Fahrgäste alle kommen. Richtung Innenstadt fährt wie gesagt schließlich schon die Tube, nach Osten hin geht es immer weiter durch die Klüste bis nach Southend an die englische Küste und auf der Strecke liegen Bahnhöfe ohne Ende und das selbst in Käffern, für die es in Deutschland aufgrund ihrer Minigröße nicht mal eine Bushaltestelle geben würde.
Auch egal. Aber es kann dir in Upminster a uf jeden Fall passieren, dass man nach 10 Jahren Pendeln, noch immer niemanden vom Sehen kennt. Trotzdem wird man hier morgens nett angenickt. Die Commuter (so nennnt man die Pendler hier) sind ein freundliches Volk und ihr Bahnhof kann sich sehen lassen. Immerhin gibt es Kaffee hier. Den wollte ich aber heute nicht mehr.
Ich wollte heute nur noch nach Hause und niemanden mehr sehen.
4
Wie alle bewohnte ich in Upminster mein eigenes kleines Häuschen. Zumindest nach außen hin. Drinnen gehörte mir nur eine Minikammer, und auch die nur zur Miete. Von Quadratmetern redete man hier nicht. Nur von den Räumen, die man so hat.
Vor den Häusern standen überall die gleichen Mülltonnen in den ebenfalls immer gleichen Vorgärten, mit den von mir so geliebten
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