Ratings, Ratings, Ratings (German Edition)
Praktischerweise gewinnt man auf dem Hinflug so eine Stunde. So hatte ich vor ein paar Jahren einen verlängerten Mittagsschlaf - eine Stunde Wartezeit in der Abfertigungshalle und eine knappe zusätzliche Stunde im Flieger, ohne den Tag zu verpennen, und um danach frisch und munter in London Luton auszusteigen.
3
So schön hätte es werden können. Aber so lief es leider nicht.
Denn im Büro wartete noch immer das Kapitalmodell auf mich. Und nicht mein eigener Ponyhof.
Ich schaute kurz drauf, auf das dumme Kapitalmodell.
D ann guckte ich dumm durch die Gegend. In dem riesigen Raum waren wir viele. Mehr als 40. 40 Schreibtische und deren Besitzer. Und überall Anzüge. Sie alle trugen welche. Graue oder blaue und sahen trotzdem nicht unbedingt schick aus. Anzüge trugen sie hier auf der Insel alle schon in der Schule, als ich noch Verstecken ohne waldgrüne Socken in Latzhosen spielte.
„Oh Mann“, seufzte ich, als ich auf mein Kapitalmodell starrte.
„Soll ich dir helfen?“, fragte mein Kollege Chris. Dank Trennwand kam die Frage wie immer ohne Gesichtskontakt.
„ Nein“, seufzte ich daher ehrlich und guckte dabei auch ganz bedröppelt.
Denn ich kannte die Regeln ja selber. Investments in solide Anlagen mussten mit Eigenmitteln von 39 Prozent hinterlegt werden, griechische Staatsanleihen gelten als automatisch sicher.
„Nein, geht schon“, antwortete ich dann doch ein wenig motivierter. „Griechische, italienische, spanische Staatsanleihen rein“, ermunterte ich mich dazu auch leise.
A ber dazu kam ich dann doch nicht mehr.
Dafür zu einem Feueralarm hoch oben in der 36. Etage .
M it Aufzügen, die in diesem Alarmzustand nicht mehr fahren. Nachdem ich die 36 Etagen nach unten gewatschelt bin, war John (der Kollege mit dem dummen Kapitalmodell-Generve) auch wieder ganz nett und bereit mir im Pub vor dem Büro ein Bier auszugeben.
Und er gab mir dann noch ein zweites und sprach über diese dumme Angelegenheit dann auch gar nicht mehr.
Zumindest erst mal sollte ich sagen. Aber das wusste ich da ja noch nicht. Ein paar Pints später verfiel er in leiernden Gesang, ein paar weitere später liebte er mich, während ich stocknüchtern war und nur auf den richtigen Moment wartete, die Fliege zu machen.
Schließlich musste ich heute dieses dumme Modell ganz bestimmt nicht mehr ausfüllen. Denn kontrollieren kann mich keiner mehr. Cheffe inklusive. Die sind alle voll wie die Strandhaubitzen.
Aber wer mit John unterwegs ist, hat einfach Pech gehabt. Denn der denkt erst im Suff wieder so richtig an seine Arbeit.
Ich hatte mich schon bei einem anderen Kollegen eingeklinkt, um seinen dummen Fragen zu entkommen. Aber John nervt weiter. Je mehr der Alkoholpegel steigt, desto schlauer seine Fragen. Auch bei Jeopardy weiß er bestimmt jede Frage.
Ich konnte ihn mir gut und gerne bei Frank Elstner vorstellen. „Griechische Staatsanleihen werden wo bei einem Rating berücksichtigt?“
Und innerhalb von einer Sekunde fragte John, auch im Vollrausch, „Beim Eigenkapital?“.
W ieder im Büro starrte ich dann doch nochmals fünf Sekunden auf das Kapitalmodell, um letztendlich doch nur die Tasche zu nehmen, und nach Hause zu gehen. Zumindest für heute.
In der Nacht würde mir vielleicht was einfallen.
„Hast du die Änderungen schon vorgenommen? Und wie lautet das neue Ergebnis?“, wurde ich am nächsten Morgen in Empfang genommen, noch bevor mein Computer den Tag beginnen konnte.
Und keine Hilfe nahte.
Die Staatsanleihen sind das größte Krisenthema, existieren aber laut Solvency 2 überhaupt nicht. Sollten sie aber, wenn wir nicht alle schon ganz bald im Zelt auf einem Campingplatz wohnen möchten oder uns Afrika nach Europa holen.
„Weißbrot“, murmelte ich leise, wieder alleine an meinem Schreibtisch. „Das Geschäft brummt hier auf der Insel, auch wenn die gar nicht backen können, die Inselaffen“, fluchte ich gekonnt leise. Mein Krabbensandwich liegt verbotenerweise auf meinem Tisch und legt mir damit höflich, aber bestimmt nahe, in Zukunft kleinere Brötchen zu backen, und zwar hier und jetzt.
Deshalb änderte ich das Kapitalmodell. Und konnte es nicht fassen. Das Ergebnis verbesserte sich um 3 Notches. Das ist eine ganze Rating-Kategorie. Von BBB auf A! (Insgesamt gibt es 20 Rating-Stufen von AAA, der höchsten und besten Stufe, dann geht es über AA+, AA, AA- hin bis zu CCC- und D. Wobei D für Default, also den absoluten Ausfall steht).
John freute
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