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Raubzug mit dem Bumerang

Raubzug mit dem Bumerang

Titel: Raubzug mit dem Bumerang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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Wir gehen in Roderichs Zimmer und Sie sehen zu, wie ich Ihren
schlafenden Enkel erschieße. Selbstverständlich werde ich auch Sie dann töten.
Denn Sie sind Zeuge.“
    Der Alte hatte sich verfärbt.
Die Furchen im Gesicht waren jetzt wie tintige Striche.
    „Und... die zweite
Möglichkeit?“
    „Wenn Sie die wählen, wird
Ihrem Enkel nichts geschehen.“
    „Aber... ich sterbe?“
    Jüdü grinste. „Dachte ich’s mir
doch. Ein schlauer alter Fuchs. Ja, richtig! Sie sterben, Mierling. Doch Ihren
Enkel kaufen Sie damit frei. Hier! Den Text habe ich vorbereitet.“ Dünnler zog
einen Zettel aus der Tasche. „Den schreiben Sie ab. Es ist Ihr Brief an mich.
In dem steht, dass Sie sich in meiner Schuld fühlen. Weil Sie meinen Vater in
den Ruin getrieben haben. Jetzt, am Ende Ihres Lebens, bereuen Sie. Ja, ich
weiß, dass sie sterbenskrank sind. Mit Ihrem Hinscheiden verlieren Sie nicht
viel. Nur ‘ne knappe Frist. Kommt’s darauf an? Was erfreut Sie denn noch?
Nichts. Also reinigen Sie Ihr Gewissen, dass es so weiß wird wie ein Wölkchen
am Juni-Himmel. Deshalb legen Sie dem Brief einen Scheck bei. Einen V-Scheck
über 500 000 Euro.“
    Der Alte schluckte. „Das haben
Sie sich fein ausgedacht.“
    „Logo. Ich weiß auch Bescheid
über Ihr Vermögen. Ist ein ganz schöner Batzen. Für den Schnösel... ich meine,
den Enkel, bleibt genug.“
    Mierling atmete schwer. „Sobald
Sie Brief und Scheck in der Hand haben — was geschieht dann?“
    „In dem Brief steht auch, dass
Sie Ihr Leiden abkürzen. Ich habe hier eine Kapsel. Die werden Sie schlucken —
und alles ist vorbei.“
    Mierlings Schultern sackten
nach vorn. „Habe ich eine Garantie, dass mein Enkel...“
    Er sprach nicht weiter. Ein
Geräusch war in der Luft. Ein Geräusch, das er kannte. Ein Raubvogel schien
herab zu stoßen aus der Dunkelheit der Galerie.
    Das Wurfholz traf Dünnlers
Genick.

3. Tims Rivale
     
    An diesem Freitagmorgen war Tim
der Erste in der Klasse, in der 9 b. Er hatte — zusammen mit Klößchen und allen
anderen Internatsschülern — im großen Speisesaal gefrühstückt. Aber Tims
Appetit war heute auf null geschaltet. Lustloses Knabbern an einem Butterbrot.
Nur ein großes Glas Milch und zwei Tassen Tee. Dann hatte er den ledernen
Matchsack geschultert, in dem er seine Schulutensilien transportiert, und sich
abgeseilt in Richtung Klasse, vermutlich aus einem nicht erklärbaren Instinkt.
    Jetzt war er also der Erste.
Die Klasse roch noch nicht nach Schülern, roch nur nach gebohnertem Boden und
dem Holz der betagten Bänke und Tische, in die Generationen von Schülern ihre
Initialen eingeschnitzt hatten, was aus den Möbeln beinahe antiquarische
Kostbarkeiten machte.
    Tim bezog seinen Platz und
verstaute den Matchsack. In Mathe saß Klößchen neben ihm, Gaby direkt vor ihm.
Letzteres hatte Vor- und Nachteile. Den Vorteil, dass er, Tim, in Gabys
rückseitigen Anblick versinken konnte und versucht war, die goldblonden Haare
ihrer seidigen Mähne zu zählen — , den Nachteil, dass ihr Anblick seine
Konzentration stark erschwerte.
    Tim setzte soeben zu einem
löwenartigen Gähnen an und hätte sich — da allein — vermutlich keine Hand vor
den Mund gehalten, aber in dieser Sekunde fiel sein Blick auf die Rose.
    Tim verharrte mit Maulsperre.
Eine Hitzewelle stieg aus dem Bauch in die Augen. Das war Wut. Eine
Dampfkessel-Wut. Mit Explosionsgefahr.
    Die Rose lag auf Gabys Tisch.
Eine liebesherzrote, wunderschöne Rose. Sie lag auf einem Zettel.
Maschinenschrift. Tim konnte den Text lesen, ohne sich vorzubeugen.
    Diese Rose, Gaby, soll dich
erinnern an meine Liebe zu dir.
    Keine Unterschrift. Aber Tim
wusste auch so, wer der Absender war, der Rosenkavalier, der penetrante
Mistkerl, der trotz Abfuhr nicht aufhörte mit seinem Anbaggern. Oja, Roderich
Mierling, 17 Jahre, mit steinreichem Opa und geschniegelt wie ein Model aus
‘nem Herren-Magazin — Roderich Mierling hatte Gaby zum Ende der Pfingstferien,
als Tim für wenige Tage zu seiner Mutter gefahren war, geradezu überflutet mit
Geh-Anträgen, Liebesbeweisen und Geschenken.
    Harsch hatte Gaby ihm erklärt,
dass Tim ihr Freund sei — was ja jeder in der Schule wisse — und dass sich
daran nichts ändern werde. Sie hatte alle Blumensträuße, Geschenke und die
ungeöffneten Briefe zurückgeschickt. Aber Rody, wie er genannt wurde, stellte
seine Belästigungen erst ein, als Tim wieder da war. Tim hatte ihn angerufen
und Bescheid gestoßen, dass der Hörer glühte. Rodys

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