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Raue See

Raue See

Titel: Raue See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralph Westerhoff
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aussieht, liegt daran, dass ich eine Putzfrau habe, die mehr als ihr Geld wert ist.«
    Endlich setzte sich Günter. Sie nahm im rechten Winkel versetzt Platz. Sie stießen an. Es drohte ein peinliches Schweigen aufzukommen.
    »Hör mal«, sagte sie. Günter blickte fasziniert in ihr Gesicht. Er sah den tadellosen Teint, die sinnlichen Lippen und die großen, ausdrucksvollen Augen, die ihn fixierten. »Wir kennen uns, wenn auch so gut wie nur virtuell. Aber wir sind uns nah. Das weißt du, das weiß ich.« Sie nahm seine Hand und drückte sie zärtlich. »Mir ist auch klar, dass du verheiratet und gerade Vater geworden bist, dass du also nicht mir nichts, dir nichts die Fronten wechseln wirst. Aber was da zwischen uns ist, kann man auch nicht ignorieren. Also lassen wir es auf uns zukommen.« Mit diesen Worten legte sie eine Hand in Günters Nacken, zog ihn zu sich heran und begann, ihn zu küssen.
    Erst zögerlich, dann immer fordernder erwiderte er ihren Kuss. Er wechselte auf ihr Sofa, und ihre Hände spielten mit dem Körper des anderen. Sie rissen sich förmlich die Kleidung vom Leib. Einer Raubkatze nicht unähnlich drückte sie ihn auf das Sofa, schwang sich auf ihn und begann einen wilden, leidenschaftlichen Ritt. Keuchend kam sie und wenig später auch er.
    Danach saßen sie nackt auf dem Rolf-Benz-Sofa. Sie legte ihren Kopf auf seinen Bauch, und er streichelte ihr Haar. Jetzt ist es passiert, dachte er. Jetzt habe ich sie betrogen. Mit einer Frau, die fast meine Tochter sein könnte. Aber hatte er den Betrug nicht schon viel früher begangen? In dem Moment, in dem er sich Carolyn anvertraut und mit ihr Dinge besprochen hatte, die er mit Wiebke hätte besprechen müssen? Es war sinnlos, darüber nachzudenken. Es war passiert, und wenn er ehrlich war, hatte es ihm auch gut gefallen.
    * * *
    Die Buchstaben auf dem Bildschirm tanzten vor ihren Augen. Das ganze Bild war verschwommen. Als würde Wiebke sich selbst quälen wollen, las sie immer wieder von vorn, was sich Günter und diese Schlampe Carolyn geschrieben hatten. Neben dem Rechner stand eine bedenklich geleerte Flasche Grappa. Der Alkohol hatte eine verheerende Wirkung auf Wiebke, die seit ihrer Schwangerschaft keinen Tropfen mehr angerührt hatte und deshalb Alkohol nicht mehr gewöhnt war.
    Es war nicht der Umstand, dass er heute mit einer anderen schlief, der wehtat. Es war der Vertrauensbruch, dieses Hintergehen seit Monaten, in denen er mit einer anderen Frau sein Leben geteilt hatte. War sie ihm wirklich so wenig wert? War ein heimlicher Fick mit einer jüngeren und, wie die von ihr geposteten Bilder bewiesen, sehr gut aussehenden Rechtsanwältin das Risiko wert, dass ihre Ehe, ihre Familie, ihr kleines Glück scheiterten?
    Sie fühlte sich benutzt. Ausgenutzt und missbraucht. Es war das Ende. Nach zwei weiteren Grappas fasste sie einen folgenschweren Entschluss und arbeitete die ganze Nacht durch. Als sie fertig war, wartete sie nur noch auf Günters Rückkehr am Montag.

DREI
    Jens Bender las gerade ein Vernehmungsprotokoll in einer Körperverletzungssache. Es sah darin auf den ersten Blick nach einer typischen Schlägerei zwischen jungen Deutschen und Türken aus. Doch der Fall kam ihm komisch vor. Vor allem die Aussage der jungen Türkin war voller Widersprüche, und er suchte nach dem entscheidenden Hinweis. Siebzig Prozent der Polizeiarbeit bestanden eben im Papierkram, im Lesen von Akten, Untersuchungsergebnissen und Protokollen. Mit dem, was im Fernsehen gezeigt wurde, hatte das wenig zu tun. Bender genoss aber das Image, das durch diese Fiktion auf sein manchmal wenig spannendes Berufsleben übertragen wurde. Das schrille Läuten des Telefons riss ihn aus seinen Gedanken. Geistesabwesend nahm er den Hörer und meldete sich.
    »Bender.«
    »Guten Tag, Herr Kollege. Polizeimeister Schubert hier.«
    »Tag, Kollege. Was gibt es?«
    »Sie bearbeiten doch die Vermisstensache Neuber. Yvonne Neuber.«
    »Ja, warum?«
    »Wir haben ihr Handy gefunden.«
    Bender setzte sich mit einem Ruck auf. »Sie haben was?«
    »Wir, das heißt Kollege Jungblut und ich, sind Streife gefahren. Mittags sind wir zur Raststätte Medenbach an der A66. Der Pächter sprach uns an. Er habe zufällig beim Leeren einer auf dem Gelände gelegenen Mülltonne ein Handy gefunden. Da es sich um ein fast neues Apple iPhone 4S handelte, kam ihm die Sache komisch vor. Er wollte gerade die Polizei anrufen, als wir dort auftauchten.«
    »Und woher wissen Sie, dass es sich um Yvonne

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