Raue See
Prolog
Der Fichtennadelgeruch war allgegenwärtig, und auch das eigenartige, leicht modrige Aroma des Waldbodens liebte sie im Grunde. Auch deswegen ging sie jeden Mittwoch zum Joggen in den Wald. Um die Natur zu erleben, zu riechen und zu schmecken. Jetzt aber erwachte sie mühsam und blickte in das feiste Grinsen eines Gesichtes, das sie nur zu gut kannte. Ihr wurde schlagartig bewusst, in welch bizarrer Lage sie sich befand.
»Du bist nicht dort, wo du glaubst zu sein«, sagte er. »Dort würden sie dich ja suchen.«
Sie war gekreuzigt. Nicht so wie Jesus, denn ihre Hände und Füße waren nicht mit Nägeln auf das Kreuz genagelt worden. Er hatte vielmehr Metallschellen genommen und diese festgeschraubt. Auch lag das Kreuz waagerecht auf dem Boden. Gekreuzigt war sie dennoch.
Das Schlimmste jedoch war, was sie jetzt bemerkte: Sie war völlig nackt.
»Mach mich sofort los!«, brüllte sie. Doch er zeigte keine Angst, keine Ehrfurcht, keinen Respekt. Im Gegenteil: Er schien sich an ihrer entwürdigenden Lage zu ergötzen. Starrte auf ihre Brüste. Fixierte ihre Vagina. Er würde doch wohl nicht … »Du sollst mich losbinden!«, befahl sie erneut.
»Leck mich«, sagte er. Sie sah, wie er ausholte, und spürte gleich darauf seine flache Hand auf ihrer Wange. Er ohrfeigte sie? Wie konnte er so etwas Ungeheuerliches wagen? Wieder klatschte seine Hand in ihr Gesicht. Erst rechts. Dann links. Immer wieder. Sie spürte, wie sie rot anlief. Sie fühlte Schmerz. Doch der war nichts gegen die Demütigung, die sie empfand.
»Bursche, das wird dir leidtun«, drohte sie in alter Gewohnheit. Er lachte hämisch, irgendwie von Sinnen.
»Du solltest dich lieber fragen, was dir leidtun wird«, sagte er, während er ihre Brüste durchknetete und dabei in ihre Brustwarzen kniff. »Erinnerst du dich, wie du mich immer festgebunden hast, damit ich mich ›da unten‹ nicht anfasse?«
Natürlich erinnerte sie sich. Sie hatte doch verhindern müssen, dass er so ein Männerschwein wurde wie alle anderen, die nur mit ihrem Schwanz denken konnten.
»Und wie du mir Wäscheklammern an die Hoden geklemmt hast, damit der Schmerz jede Lust verhindert?«
Auch das wusste sie noch – und sie bedauerte es nicht. Männer hatten es nicht anders verdient. Sie hatte es getan, damit kein weiteres Schwein heranwuchs, und sie würde nichts bereuen. Nein, sobald sie befreit war, würde sie ihn windelweich schlagen.
Er begann, ihre Brüste mit Wäscheklammern zu versehen, und sie schrie auf. »So hat sich das angefühlt«, sagte er kalt, während er genussvoll die letzten beiden Klammern auf die Warzen setzte. »Ungefähr jedenfalls.«
Er ließ von ihr ab und setzte sich auf den Futtertrog für Wildtiere. Er beobachtete sie. Es machte nicht den Eindruck, dass er geiferte. Er schien zufrieden zu sein zu sehen, dass sie wie unter Stromschlägen zuckte, weil sie verzweifelt Hände oder Füße freibekommen wollte. Die Wäscheklammern taten höllisch weh, das sah er. Sie litt. Es erfreute ihn.
Sie befanden sich in einem Wald, in einer Winterfutterstation für Wildtiere. Es war nicht ihr Wald, in dem sie ihm heute gegen sechzehn Uhr beim Joggen begegnet war. Ohne Argwohn hatte sie ihn gefragt, was er sich denn erlauben würde, sie bei ihrem Sport zu stören, als sie nur noch dachte: Chloroform.
An mehr erinnerte sie sich nicht.
»Nein, bitte nicht«, flehte sie, als er aufstand, eine Kamera holte und sie von allen Seiten und in Detailaufnahmen fotografierte.
»Erinnerst du dich, wie ich Tante Jolanda beichten musste, dass ich morgens trotzdem immer eine feuchte Hose hatte? Obwohl du mich festgebunden hattest und ich Wäscheklammern an den Hoden hatte? Es war so unendlich peinlich. Du hast mich erniedrigt. Seit ich kein kleines Kind mehr war, hast du mir die Hölle auf Erden bereitet. Ich tue mit dir nur das, was du mich gelehrt hast.«
Irgendwann legte er die Kamera wieder weg, der Film schien voll zu sein. Für Kleinbildkameras gab es ja nur Filme mit maximal sechsunddreißig Aufnahmen. Aber das war schlimm genug. Sechsunddreißig Aufnahmen von ihr. Nackt, hilflos und gequält. Sechsunddreißig Negative, die immer wieder zu Bildern gemacht werden konnten, vorausgesetzt, man hat ein Fotolabor. Wenn nicht … Sie wollte sich nicht ausmalen, wer die Bilder noch zu Gesicht bekäme, wenn er sie zur Entwicklung und Vervielfältigung zu »Foto Porst« oder in ein anderes Labor geben würde.
»Einmal hatte ich mir heimlich einen Playboy gekauft«,
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