Raus aus der Suchtfalle!
wieder versucht, mit einer niedrigeren Dosierung zurechtzukommen, aber dann konnte ich nicht einschlafen, die Schmerzen wurden stärker, und ich litt unter einer großen Unruhe. Es wurde immer schwieriger für mich, von den Ärzten die erforderliche Medikamentenmenge verschrieben zu bekommen. Irgendwann war mir klar, dass es so nicht weitergehen kann. Das war sozusagen der Auslöser, um mit einer Entwöhnungsbehandlung zu beginnen.
Bei Frau W. hat die Medikamentenabhängigkeit durch die ärztliche Verordnung eines Präparats begonnen, das Tetrazepam enthielt. Dieser Wirkstoff gehört zur Gruppe der Benzodiazepine, einer Medikamentengruppe, die schon nach kurzer Einnahmedauer abhängig machen kann (siehe → S. 20 ). Tetrazepam entspannt nicht nur die Muskeln und löst schmerzhafte Verspannungen, sondern erleichtert auch das Einschlafen. Eine Nebenwirkung, die Frau W. sehr willkommen war.
Gewöhnung (Toleranzentwicklung). Bei ihr äußerte sich relativ rasch ein wesentliches Merkmal der Abhängigkeitserkrankung: Es entwickelte sich eine Toleranz. Das heißt, ihr Körper gewöhnte sich an das Medikament, mit der Folge, dass sie die Dosis regelmäßig erhöhen musste, um die Wirkung beizubehalten.
Kontrollverlust. Ein weiteres wichtiges Merkmal der Abhängigkeitsentwicklung ist der Kontrollverlust. Genau wie bei Frau S., die immer mal wieder versuchte, den Tag ohne Alkohol zu beginnen und dann meist doch wieder zur Flasche griff, scheiterte auch Frau W. regelmäßig mit ihrem Vorhaben, die Dosis ihres Medikaments zu reduzieren. Sie war zunehmend damit beschäftigt, die Medikamente zu erhalten und die jeweiligen Ärzte zur Verordnung des Medikaments zu gewinnen.
Alkohol gegen Lampenfieber
Herr K. ist hauptberuflicher Orchestermusiker mit täglichen Proben und häufigen Auftritten. Er spielte schon als Jugendlicher in professionellen Orchestern: »Ich habe vor jedem Auftritt Lampenfieber und bin sehr unruhig. Das ist bei vielen Musikern so. Schon als Jugendlicher habe ich durch erfahrene Musiker Alkohol als Beruhigungsmittel kennengelernt. Das erleichterte meine Auftritte. Nach den Konzerten sind wir Kollegen dann oft noch einen trinken gegangen. Vor allem mit zweien ging es dann oftmals richtig zur Sache und wir haben uns mit Wodka regelrecht abgefüllt. Nach so einem Vollrausch konnte ich mich natürlich nicht mehr an alles erinnern.
Dann kam es irgendwann auch zu diesen Anfällen, ich wurde bewusstlos und wurde ins Krankenhaus eingeliefert. Die Ärzte sagten mir, dass es sich um Entzugskrampfanfälle handele, und ich blieb zur Entgiftungsbehandlung im Krankenhaus. Nachdem sich das ein paar Mal wiederholt hatte, habe ich mit einer Entwöhnungsbehandlung begonnen.
Herr K. hat zunächst episodisch Alkohol konsumiert, meist im Zusammenhang mit Konzertauftritten. Alkohol spielte hierbei die Rolle eines angstlösenden »Medikaments«, das ihn zu seinen Aufführungen befähigte. Ferner spielte der Alkohol eine wichtige Rolle bei der abendlichen Gestaltung; zur Geselligkeit im Kreis seiner Musikerkollegen gehörte wie selbstverständlich das Trinken dazu.
Durch das häufige und auch exzessive Trinken hat sich das Gehirn von Herrn K. an den Alkohol und dessen dämpfende Wirkung gewöhnt. Auf diese Zusammenhänge gehen wir auf → S. 57 genauer ein. Fehlte Alkohol, war das Gehirn von Herrn K. so leicht erregbar, dass Entzugskrampfanfälle auftraten.
»Zum Glück hat noch keiner gemerkt, dass mein Mann trinkt«
Frau E. leidet seit mehr als 15 Jahren unter dem Alkoholkonsum ihres Mannes: »Am schlimmsten ist es, wenn er mit seinen Sportkameraden im Vereinsheim feiert; dann kommt er spät nachts stockbetrunken nach Hause und schläft bis zum nächsten Mittag seinen Rausch aus. Ich rufe dann immer gleich morgens bei der Arbeit an, um ihn zu entschuldigen. Bisher ist es mir ganz gut gelungen, dass keiner etwas merkt.
Ich will auch nicht, dass unsere Freunde etwas mitbekommen. Wir können im Grunde genommen keine Einladung mehr annehmen, er reagiert ja gar nicht mehr auf meine Bitte, nicht so viel zu trinken. Ich habe gar keinen Einfluss mehr auf ihn. Er macht einfach immer weiter. Ich fühle mich dann völlig hilflos. Was soll ich denn machen? Ich will aber auch nicht, dass irgendwer denkt, dass mit uns etwas nicht stimmt, weil wir uns immer mehr abkapseln. Der Einzige, mit dem ich mal darüber gesprochen habe, ist mein Hausarzt. Eigentlich habe ich nur noch Kontakt mit meiner besten Freundin. Ich schäme mich so. Die
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