Raus aus der Suchtfalle!
Liebe Leserin, lieber Leser
Sie wissen oder befürchten, dass Sie zu viel trinken? Oder Ihr Arzt hat Ihnen bereits eine Alkoholabhängigkeit bescheinigt? Möglicherweise ist bei Ihnen auch nicht das Trinken problematisch, sondern Ihr Konsum an Beruhigungsmitteln? Oder es geht gar nicht um Sie selbst, sondern um Ihren Partner oder Freund, der zu viel trinkt oder medikamentenabhängig ist? Wenn Sie aus den beschriebenen oder ähnlichen Gründen zu diesem Buch gegriffen haben, sind Sie hier richtig.
Und mit diesen Problemen befinden Sie sich in sehr zahlreicher Gesellschaft: In Deutschland sind ungefähr 1,4 Millionen Menschen abhängig von Alkohol, etwa ebenso viele von Medikamenten. Außerdem konsumieren über 10 Millionen Deutsche Alkohol auf eine riskante Weise und erhöhen damit die Wahrscheinlichkeit körperlicher und seelischer Erkrankungen.
Aufgrund der hohen Verbreitung müssten diese Themen eigentlich in aller Munde sein, sind sie aber nicht. Ganz im Gegenteil. Die meisten Betroffenen und vor allem deren Angehörige leiden im Stillen und betreiben einen großen Aufwand, um die Erkrankung zu verheimlichen. Nur die Minderheit der Betroffenen sucht aktiv Hilfe und Behandlung auf. Bei der Vertuschung spielen häufig auch die Kollegen und vor allem die Lebenspartner mit, die oft jahrelang die Alkoholsucht decken und alle Verantwortung übernehmen und – wir sagen es Ihnen lieber gleich – damit leider auch einen Beitrag zur Sucht leisten; man spricht in diesem Zusammenhang auch von co-abhängigem Verhalten. Nicht nur der Betroffene, sondern oft auch die Angehörigen sitzen in der Suchtfalle.
Aber es gibt Wege hinaus, und um die soll es in diesem Buch gehen. Häufig wird behauptet, eine Suchterkrankung offenbare »tiefer liegende« seelische Probleme – die Symptome der Suchterkrankung seien Folge einer grundsätzlicheren psychischen Störung. Wir vertreten einen anderen Standpunkt und verstehen Sucht als eine Erkrankung, die durch viele Faktoren beeinflusst wird. Allerdings sind psychisch stabile Menschen, die gut in viele Lebensbereiche integriert sind, weniger gefährdet, eine Suchterkrankung zu entwickeln. Und seelisch labile Menschen sind eher gefährdet. Daher beschäftigen wir uns hier auch mit der psychischen Stabilität. Wie kann man sie stärken? Was hält uns gesund?
Wir beleuchten die Hintergründe von Abhängigkeit, Missbrauch und Co-Abhängigkeit. Dabei stellen wir einige Fallgeschichten vor, die jeweils typische Merkmale der Sucht verdeutlichen. Wenn man das Wesen der Suchterkrankung versteht, lassen sich die hilfreichen Gegenmaßnahmen leichter nachvollziehen. Bevor Sie mit den nötigen Veränderungsschritten beginnen, ist es wichtig zu wissen, wo Sie »gerade stehen«, dazu beschreiben wir ein Stufenmodell, das Sie dabei unterstützt, sich über Ihre eigene Lage oder auch die eines süchtigen Angehörigen klar zu werden. Will man sein Suchtverhalten aufgeben, braucht man neue, gesündere Strategien und Verhaltensweisen. Sie finden daher diverse Übungsvorschläge und kleine Experimente, die Sie dazu anregen, Neues auszuprobieren und eigene Stärken zu entdecken und weiterzuentwickeln. Viele unserer Patienten berichten, dass ihnen ihr eigener Weg aus der Sucht wie eine zweite Geburt vorkommt, sie an sich selbst und ihrer Umgebung ganz neue Erfahrungen machen können und ihr Leben wieder aktiv gestalten. Der Kampf gegen die Sucht ist also auch ein Prozess des Wachsens und Reifens. Wir wollen Ihnen Mut machen, Ihren persönlichen Weg aus der Sucht oder der Co-Abhängigkeit zu beschreiten und Sie mit diesem Buch gern ein Stück dabei begleiten.
Bielefeld, Februar 2009
Prof. Dr. Harald Rau
Dr. Cornelia Dehner-Rau
1 Basiswissen
Die Suchtfalle durchschauen
Wie wirken Alkohol und Beruhigungsmittel? Warum können sie abhängig machen? An welchen typischen Zeichen erkennt man eine Abhängigkeit? Wie entsteht sie? Dieser erste Teil bietet Ihnen dazu grundlegende Informationen.
Vom Wesen der Abhängigkeit
Zunächst stellen wir Ihnen wichtige Aspekte der Abhängigkeitserkrankungen vor. Wie entstehen sie? Welche bezeichnenden Merkmale gibt es? Schauen wir uns zunächst einige typische Patientengeschichten aus unserer therapeutischen Tätigkeit an.
Wie erleben Betroffene ihre Situation?
Die folgenden Berichte beschreiben typische Verläufe. Möglicherweise finden Sie sich bereits in der einen oder anderen Aussage eines Betroffenen wieder. Auf diese Fallberichte werden wir in den weiteren
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