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Raven - Schattenreiter (6 Romane)

Raven - Schattenreiter (6 Romane)

Titel: Raven - Schattenreiter (6 Romane) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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wieder keinerlei Widerstand. Die Mauer schien nur für Card vorhanden zu sein.
    »Aber das gibt es doch nicht«, keuchte der Inspektor. »Das ist doch nicht möglich!«
    »Bestimmt nicht«, antwortete Raven ernsthaft. »Aber dann tun wir eben mal etwas Unmögliches ...«
    Er grinste, trat entschlossen vor und beobachtete mit einer Mischung aus Schrecken und Neugierde, wie sein rechtes Bein in der scheinbar so massiven Mauer verschwand. Der Gang setzte sich dahinter fort. Er fühlte den feuchten, klebrigen Lehmboden unter der Schuhsohle, ohne mehr als den mürben Stein vor sich sehen zu können.
    »Ich versuche erst gar nicht, es zu begreifen«, murmelte Card. »Aber Sie wollen doch nicht ernsthaft allein dorthinein gehen?«
    Raven grinste, trat zurück und sah den Inspektor abschätzend an. »Haben Sie eine bessere Idee?«
    Card hob in einer hilflosen Geste die Schultern. »Ich kann ein paar Männer rufen und die Wand niederreißen lassen.«
    »Sinnlos«, behauptete Raven. »Wer immer das erschaffen hat, hat sich garantiert dagegen geschützt.« Plötzlich hatte er eine Idee. »Geben Sie mir Ihre Hand, Inspektor«, verlangte er.
    Card machte ein verwirrtes Gesicht, streckte aber gehorsam die Rechte aus. Raven ergriff seine Finger - sie waren kalt, aber trotzdem feucht vor Schweiß - und führte sie in seine Jackentasche. Card fuhr merklich zusammen, als er den Stein berührte.
    Raven lächelte aufmunternd, drehte sich herum und trat abermals auf die Wand zu, den Inspektor wie ein Kind an der Hand hinter sich herführend.
    Und diesmal ging es.
    Als wäre die Wand nicht mehr als eine Illusion, traten sie nebeneinander hindurch und standen Sekunden später in einem niedrigen, abschüssigen Gang.
    Card keuchte verblüfft. »Der Stein ...«
    »Ich habe so etwas befürchtet«, murmelte Raven. »Das Ding ist alles andere als ein Schmuckstück.«
    Card sah ihn unsicher an. »Sie meinen, er ist eine Art Schlüssel?«
    »Ja. Und ich fürchte, nicht nur das.«
    Raven blickte aus zusammengekniffenen Augen den Gang hinunter. Er unterschied sich nicht von dem Stück Stollen, durch das sie hierhergekommen waren - die gleichen nackten, gekrümmten Wände, der gleiche halb aufgeweichte, abschüssige Boden, der sich irgendwo vor ihnen in schwarzen Schatten verlor.
    Und auf dem Boden waren Spuren. Die Spuren Hunderter von Füßen.
    »Wir sind auf dem richtigen Weg«, murmelte Raven.
    Card nickte, machte aber keine Anstalten, sich von der Stelle zu rühren. »Wir sollten zurückgehen und Verstärkung holen«, flüsterte er. Seine Stimme zitterte, und Raven hätte sein Gesicht nicht erkennen müssen, um zu spüren, dass er Angst hatte.
    Auch er spürte es. Dieser Stollen war nicht so leer, wie es schien. Irgendetwas war hier, irgendetwas Fremdes, Unsichtbares und abgrundtief Böses, etwas, das auf sie lauerte und jede ihrer Bewegungen misstrauisch verfolgte.
    Trotzdem schüttelte er den Kopf. »Ich fürchte, dafür haben wir keine Zeit«, sagte er. »Wir werden uns auf unser Glück verlassen müssen. Und auf das hier«, fügte er mit einer Geste auf seine rechte Jackentasche hinzu. »Ich kann nur hoffen, dass es uns schützt ...«
    Sie gingen los.
    Der Gang verlief über mehrere hundert Schritt gerade und vollführte dann eine scharfe Biegung nach rechts. Und die ganze Zeit fiel der Boden sanft, aber stetig ab. Sie mussten sich jetzt schon tief unter dem eigentlichen Niveau der Underground befinden. Sie konnten selten mehr als zehn, fünfzehn Schritte voraussehen - der Gang war zwar von einem unsicheren, gespenstischen grünen Leuchten erfüllt, aber das Licht reichte nicht aus, mehr als vage Schatten zu erkennen.
    Card blieb plötzlich stehen und ergriff Ravens Arm so fest, dass es schmerzte.
    »Was ist?«, fragte Raven erschrocken.
    Statt einer Antwort deutete Card den Gang hinunter.
    Raven folgte seinem Blick.
    Sein Herz schien einen schmerzhaften Sprung zu machen.
    Das Gefühl, beobachtet zu werden, war richtig gewesen. Sie waren nicht allein. Vor ihnen, gerade an der Grenze zwischen dem grünen Licht und der absoluten Finsternis des Stollens, bewegten sich Schatten.
    Aber es waren keine normalen Schatten. Sie wirkten verzerrt, verkrüppelt und auf bizarre Weise entstellt, wie die Wesen, die sie warfen.
    Cards Atemzüge stockten, als die Wächter sich langsam näherten ...
    »Ich glaube, ich spinne«, sagte Trevellian fassungslos. Er schlug zum wiederholten Male mit der Faust vor die massive Steinmauer, die den Gang vor ihnen

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