Insel der schwarzen Perlen
Prolog
Applerock, Kauai, Frühjahr 2011
Wilde Frühjahrsstürme tobten seit Tagen über Kauai und wühlten das Meer an der Na-Pali-Küste auf. Winde rüttelten an den Wänden der provisorischen Hütte oberhalb der Klippen, auf dem Stück Land, das bei den Küstenbewohnern Applerock hieÃ.
Neben dem alten Holzschuppen wuchs das neue Zuhause von Maja und Keanu. Lewalani wollten sie das Haus nennen, was so viel hieà wie Himmelreich.
Ein Schauer prasselte auf das Wellblechdach über Maja, kurz und heftig, als eine weitere Wolke sich entlud. Sie saà im Dunkeln, um ihren Liebsten nicht zu wecken, und starrte auf ihren Laptop. Wieder keine Verbindung zum Internet, zu schlechter Empfang.
Beunruhigt beobachtete sie durch das kleine Fenster das wilde Naturschauspiel. Dunkle Wolken jagten über das Meer, immer wieder blitzte der Mond auf die wilden Wellen, dann wurde es wieder dunkel. Notdürftig hatte sie mit Keanu gestern Morgen die Rohbauwände ihres zukünftigen Zuhauses für den Sturm mit Plastikplanen verhängt, doch zwei davon hatten sich gelöst, der Lärm hatte Maja aus dem Schlaf gerissen. Gigantischen Vogelschwingen gleich flatterten die Planen im Sturm und schlugen gegen das Malergerüst. Wie konnte Keanu nur schlafen?
Sollte sie versuchen, die Planen allein zu befestigen? Nur ungern wollte sie Keanu wecken, denn er war erst spät nach Hause gekommen. Auch musste Maja lernen, mit solchen Herausforderungen alleine fertigzuwerden. Drei Monate war es jetzt her, seit sie ihre Heimatstadt München verlassen hatte, weil sie bei ihm sein wollte. Sie hatte sich für eine Zukunft an Keanus Seite entschieden, und hier auf den Klippen, auf der anderen Seite des Erdballs, sollte ihr Kind auf die Welt kommen. Das alles wegen einer jungen deutschen Einwanderin, die vor mehr als einem Jahrhundert das Grundstück, auf dem Maja von nun an ihr Leben verbringen wollte, hätte erben sollen. Elisa Vogel, aus Hamburg nach Hawaii eingewandert im Jahr 1893.
Auf dem nächtlichen Meer rollten in stetigen Linien weiÃe Schaumkronen in die Bucht. Geheime Botschaften, geschrieben in einer Schrift aus einer Welt unter der Wasseroberfläche, in die Kelii seine Frau Elisa damals für immer mitgenommen hatte â¦
Majas Leben war verwoben mit dieser Frau aus einer anderen Zeit, nur hatte sie das Webmuster nicht zu deuten gewusst, wenn sie einander in ihren Träumen besuchten und ihre Seelen sich mithilfe der geheimnisvollen Pflanze Tausend-Nebel begegnen konnten. Jetzt, in ihrer Schwangerschaft, traute sie sich nicht, die Kräfte der Pflanze zu nutzen, aus Angst, damit womöglich ihrem Kind zu schaden. Doch es verging keine Stunde, in der sie nicht Sehnsucht nach Elisa verspürt hätte.
Vom Wind aufgewühlt peitschten die Wellen auf die Steilküste zu, überrollten und überschlugen einander. Maja dachte an den Traum, aus dem der Sturm sie geweckt hatte. Sie hatte sich an den Tisch gesetzt, um ihrer Freundin Ina in München zu schreiben, da die für ihr Leben gern Träume analysierte.
Elisa war dort gewesen, im Hintergrund, als alte Frau. Maja nahm in diesem Traum Gerüche wahr. Ein Gemisch aus süÃem Jasmin, ungewaschenem Körper und vergorener Milch. Dazu das Weinen eines neugeborenen Babys. Eine junge Frau streckte bittend die Hände aus. An ihrer linken Hand trug sie einen Ring, der Maja gehörte.
»Komm zurück ins Bett, ipo â¦Â«
Keanus Stimme klang besorgt, als er sich aufrichtete.
»⦠alles in Ordnung?«
Maja versuchte zu lächeln.
»Tut mir leid, wenn ich dich geweckt habe ⦠Ich hatte einen Traum und wollte ihn Ina schreiben â¦Â«
Er runzelte die Stirn.
»Du brauchst deinen Schlaf, ipo ⦠Und unser Baby braucht auch Ruhe. Komm zu mir, in meine Arme.«
Maja zögerte. Er war gestern sehr spät nach Hause gekommen, viel später als verabredet. Sie war während des Wartens vor Müdigkeit eingeschlafen und immer noch ein wenig irritiert, weil er sich nicht gemeldet hatte. Er nickte schuldbewusst.
»Es tut mir leid, dass du gewartet hast. Aber ich kann nicht drüber reden ⦠das weiÃt du. Komm zu mir, bitte. Ich nehme dich in die Arme, und wir schlafen noch ein wenig â¦Â«
Er schlug die Decke zurück, doch Maja blieb auf ihrem Stuhl sitzen. So leicht würde sie es ihm heute nicht machen.
»Ich schreibe lieber an Ina ⦠Bei dem Sturm kann ich nicht
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