Rebella - Alpenblues & Huettenflirt
mich.
Mit einem Ruck ziehe ich mir das Band über den Kopf und versuche dann, die Situation zu erfassen. Simon steht noch immer im Türrahmen und betrachtet sein Zimmer mit einem verwirrten Ausdruck: die offene, halb leere Flasche Sekt, die heruntergebrannten Kerzen. Die Luft ist tatsächlich zum Schneiden, das muss vom Rauch kommen.
»Ich …«, stottere ich. »Ich wollte … aber dann …«
»Echt, Niki, was soll der Scheiß?« Mit langen Schritten kommt Simon auf mich zu. Gerade noch rechtzeitig fällt mir ein, was ich für diesen Abend geplant habe. Mit einer – wie ich hoffe – eleganten Bewegung werfe ich die Decke zur Seite und versuche mich an einem verführerischen Blick.
»Überraschung!«, nuschele ich.
Wie angewurzelt bleibt Simon stehen und starrt mich an. Leider sieht er noch immer eher erstaunt als erfreut aus.
»Also, Niki …« Jetzt stammelt er auch. Müde setzt er sich neben mich auf die Bettkante. So hatte ich mir das nicht vorgestellt. Nein, wirklich nicht.
Mein Blick fällt auf den Digitalwecker. Was? Schon nach drei!
»Wo hast du so lange gesteckt?«, frage ich anklagend. »Wir waren doch verabredet. Schon vor Stunden.« Sofort geht Simon in die Defensive.
»Sorry, Niki, aber wir haben noch was zusammen getrunken und ich habe die Zeit vergessen. Heute ist ja schließlich mein Geburtstag.«
»Natürlich«, rudere ich zurück. Jetzt bloß nicht streiten. »Aber ich dachte, wir wollten miteinander feiern«, starte ich einen neuen Anlauf.
»Ja, schon.« Simon druckst herum. »Aber es ist was dazwischengekommen. Etwas ziemlich Geniales!« Zum ersten Mal, seit er das Zimmer betreten hat, breitet sich ein Lächeln auf Simons Gesicht aus. Nur hat das offensichtlich nichts mit mir zu tun.
»Aha«, murmele ich. Ich setze mich hin und ziehe mir die Decke bis zum Bauchnabel hoch. Plötzlich komme ich mir wieder furchtbar nackt vor.
»Ja, stell dir vor: Wir werden einen Gig in New York haben!« Simon strahlt mich an, als würde er mir vom achten Weltwunder berichten.
»Aha«, bringe ich nur wieder hervor.
»Heute war ein Agent bei unserer Probe, der Nachwuchstalente castet. Er hat unsere Demos im Netz gehört und war total begeistert. Der Typ will uns groß rausbringen. Er hat einen Kumpel, dem gehört ein Club in Manhattan, und da verschafft er uns einen Auftritt. Als Vorband für die Kings. Das ist unsere Chance, Niki. New York, stell dir das mal vor! Das ist unser Sprungbrett. Wir werden berühmt!«
»Aha.« Irgendwie fällt es mir schwer, Simons Begeisterung zu teilen.
»Der Agent hat die Flugtickets schon besorgt. Unfassbar, oder? Ich kann sofort mit dem Packen anfangen. Wir fliegen schon morgen!«
Morgen? Ich glaube, ich habe mich verhört.
»Und wann kommst du zurück?«
»Ach, Niki.« Simon streicht mir abwesend mit der Hand über den Kopf. Egal, die Frisur, die ich nach Majas Anleitung in mühevoller Kleinarbeit mithilfe von jeder Menge Haarspray fabriziert habe, ist wahrscheinlich sowieso längst zerstört. »Ach, Niki«, wiederholt Simon, als würde er mit einer Geistesgestörten sprechen. »Wenn alles so läuft, wie wir uns das vorstellen, dann kommen wir nicht mehr zurück.«
Sprachlos starre ich ihn an, zu perplex für einen klaren Gedanken.
»Und was wird aus uns?«, bringe ich schließlich mühsam hervor.
Simon nimmt mein Kinn zwischen Daumen und Zeigefinger, hält mein Gesicht fest und schaut mir tief in die Augen.
»Niki«, sagt er. »Das mit uns war schön. Aber du musst doch verstehen, dass das hier meine große Chance ist. Meine ganz große Chance. Die bekommt man nur einmal im Leben.«
War? Hat er gerade wirklich war gesagt? Was soll das heißen?
»Soll das heißen …?«
»Mit uns ist es aus.« Simon lässt mein Kinn los und mein Kopf sackt Richtung Brust. Mein Bauch krampft sich zusammen, der Sekt in meinem Magen fängt plötzlich an, nach oben zu drängen. Ich presse mir die Hand auf den Mund, stürze aus dem Bett und schaffe es gerade noch ins gegenüberliegende Badezimmer.
»Niki?« Ein zaghaftes Klopfen an der Tür. Ich würge noch einmal, aber es kommt nichts mehr.
»Niki, alles okay?«
Nein! Nichts ist okay! Gar nichts!
Ich hangele mich am Badewannenrand hoch und schleppe mich zur Tür. Simon steht davor, meine Klamotten in der einen Hand, meine Tasche in der anderen.
»Kann ich irgendwas für dich tun?«
Nein! Lass mich in Ruhe! Lass mich bloß in Ruhe!
Ich reiße ihm die Sachen aus den Händen und versuche, gleichzeitig in meine Jeans und
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