Rebellen der Ewigkeit
sie ihn immer häufiger gehört. Er stand für eine Seite von Ricardo, die sie anfangs bei ihm nicht gesehen hatte – oder nicht hatte sehen wollen.
Anfangs – das war vor acht Jahren gewesen, als sie beide noch studierten. Sie hatte diesen fröhlichen, langhaarigen Physikstudenten an der Universität kennen und lieben gelernt. Ricardo Reming und sie bildeten das sprichwörtliche Dream-Team, beruflich wie privat. Hochschulen, Forschungseinrichtungen und Unternehmen rissen sich um sie, noch bevor sie ihre Summa-cum-laude-Doktortitel in Physik und Mathematik in den Händen hielten. Aber sie hatten ihre Visionen. Sie wollten der Welt einen wissenschaftlichen Durchbruch bescheren, der lediglich mit der Entwicklung der Relativitätstheorie durch Einstein gleichzusetzen war. Und das konnten sie nur mit ihrer eigenen Firma.
So entstand Reisz & Reming. Geldgeber fanden sich ohne Probleme, denn ihr Ruf eilte ihnen trotz ihrer Jugend voraus. Sie arbeiteten fast rund um die Uhr an ihrem großen Ziel. Doch je mehr sich ihre Arbeit der Vollendung näherte, desto fremder wurde ihr Ricardo.
»Wenn jemand etwas kaputt macht, dann du«, erwiderte sie und richtete sich auf. »Nämlich unser Universum.«
Statt einer Antwort zog er nur spöttisch die Augenbrauen hoch.
»Hast du meine letzten Berechnungen nicht gesehen?« Das war eine rhetorische Frage. Natürlich hatte Ricardo ihre Resultate studiert, allein schon deswegen, um daraus vielleicht Nutzen zu ziehen. »Wir haben eine Technologie entwickelt, deren Auswirkungen wir noch nicht beherrschen und vielleicht nie beherrschen werden. Wenn wir sie jetzt auf den Markt bringen, könnten die Folgen katastrophal sein. Willst du wirklich das Ende der Welt auf dem Gewissen haben?«
»Das Ende der Welt?« Ricardo schüttelte den Kopf. »Du hattest schon immer einen Hang zur Melodramatik.« Er erhob sich aus seinem Stuhl. Mit einer Hand schaltete er das Notebook aus. »Es war deine Entdeckung, die unsere Technologie erst möglich gemacht hat«, sagte er. »Du willst unbedingt einen Schuldigen haben? Dafür brauchst du nur einen Spiegel.«
Er klappte das Notebook zusammen und verstaute es in einer Ledertasche. Amanda stellte sich vor die Tür.
»Unsere Firma gehört zur Hälfte mir! Du kannst nicht alleine entscheiden, was mit unserer Erfindung geschieht!«
Ricardo lachte erneut. »Mandy, Mandy«, sagte er und schüttelte den Kopf. »Du begreifst immer noch nicht, wie die Welt funktioniert, was?«
Sie hasste es, wenn er sie Mandy nannte. Mandy hießen die Mädels, die für Reifenkalender Modell standen oder Darstellerinnen in billigen TV-Soaps waren. Sie wusste, dass er sie nur provozieren wollte, und biss sich auf die Lippen, um nicht ein unbedachtes Wort zu sagen.
»Die Welt funktioniert meines Wissens so, dass gleichberechtigte Partner auch gemeinsam Entscheidungen treffen«, sagte sie so ruhig, wie sie konnte.
Ricardo kam um den Schreibtisch herum und blieb vor ihr stehen. Er war etwa einen halben Kopf größer als sie. Sein Mund war jetzt ebenso hart wie seine Augen.
»Wir sind aber keine gleichberechtigten Partner mehr«, erwiderte er.
Nun war es an ihr, ihn fragend anzublicken.
Er konnte den triumphierenden Ausdruck in seinem Gesicht nicht verbergen. »Die Firma Reisz & Reming hat ihre Patente der Firma Tempus Fugit mit sofortiger Wirkung zur alleinigen Nutzung überlassen. Und soviel ich weiß, bist du keine Gesellschafterin bei Tempus Fugit .«
Amanda starrte ihn an. Sie brachte kein Wort hervor.
Das war der Mann, mit dem sie acht Jahre ihres Lebens verbracht hatte. Sie hatte ihn wieder aufgebaut, wenn er kurz vor dem Aufgeben stand, hatte ihm vertraut, eine harte Zeit der Entbehrungen mit ihm geteilt. Und jetzt wollte er sie so mir nichts, dir nichts abservieren?
Mit einem Mal begriff sie, wie lange sie sich schon etwas vorgemacht hatte. Sie hatte einfach nicht sehen wollen, was aus Ricardo geworden war: ein geldgieriger Egoist, dem seine Interessen über alles gingen. Oder war es sogar noch schlimmer? War er von Anfang an so gewesen und hatte sie lediglich über seinen wahren Charakter getäuscht?
Und trotzdem ... Einen letzten Versuch wollte sie noch unternehmen, wenn auch nur, um sich selbst zu beweisen, dass sie nicht die Beziehungsversagerin war, für die sie sich hielt. Deshalb war sie dieses Wagnis eingegangen. Und deshalb war sie jetzt hier. Wenn ihn das nicht umstimmen würde, dann wollte sie gerne aufgeben.
»Ricardo«, begann sie, und sie hasste den
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