Rückkehr nach St. Elwine
1. Kapitel
Elizabeth stieg aus dem Jeep und atmete die vertraute Luft ein. Es duftete wunderbar gut nach Meer. Dieser unverwechselbare Geruch, eine Mischung aus Salzwasser, Seeluft, Essensdüften und Mensch hatte sich unwiderruflich in ihr Gehirn eingegraben. Sie verband ihn mit einem einzigen Ort auf der ganzen Welt, St. Elwin, ihrem Zuhause.
Sie schmeckte bereits wieder das Salz auf ihrer Zunge. Jetzt verstand sie selbst nicht mehr, wie sie nur so lange hatte fort bleiben können.
Vor zehn Jahren jedoch wollte Liz nur alles endlich hinter sich lassen - die erdrückende Enge der Kleinstadt, die mitleidigen Blicke der Leute, wenn ihr Vater mal wieder völlig betrunken durch die Straßen torkelte - wenn sie mit zerrissenen Schnürsenkeln herum laufen musste oder im Laden um die Ecke anschreiben ließ. Sie sah alles so deutlich vor sich als wäre es erst gestern gewesen.
Das kleine Häuschen, dass sie und ihr Vater bewohnten, total heruntergekommen, mit abblätternder Farbe, einer Gartenpforte, die den Namen kaum verdiente, nur in einer Angel hing und im Wind herumschlug, leise und quietschend. Dann war da noch der Garten gewesen, verwildert und klein mit ein paar wenigen Büschen und Sträuchern. Die Blumen, die dort aufs Geradewohl wuchsen, waren nie durch die Hand eines Menschen in ihrem Frieden gestört worden. Dafür hatte Liz keine Zeit gehabt neben der Schule, dem Führen des Haushalts und den zahlreichen Jobs, um wenigstens das Notwendigste bezahlen zu können.
Auf der Highschool hatte Elizabeth die besten Noten gehabt. Sie war von jeher ehrgeizig und zielstrebig gewesen und hatte zudem genau gewusst, was sie wollte. Daher verband sie Intelligenz und Fleiß geschickt zu einer effizienten Kombination, die sie zu einer der jahrgangsstärksten Schülerinnen werden ließ. Es bereitete ihr logischerweise keine größeren Probleme von einer Universität angenommen zu werden. Somit konnte sie sich ihren lang gehegten Traum vom Medizinstudium erfüllen.
Dieser Weg war alles andere als traumhaft gewesen, sondern steinig und lang. Doch da sie stets das heruntergekommene Häuschen von innen blitzsauber gehalten, die Einkäufe und die Wäsche erledigt hatte, wusste sie, wie man einen Haushalt führte. Insgeheim hatte sie jede Unternehmung mit der Führung eines Haushalts gleichgestellt und sich auf diese Weise nicht vor neuen Herausforderungen gefürchtet. Denn schließlich konnte sie ihren eigenen Fähigkeiten trauen. Die Angst zu versagen war nur sehr selten hervor getreten, immerhin hatte sie sich selbst bereits unzählige Male bewiesen, dass alles nur eine Frage der Organisation war. So hatte sie auch während des Studiums gejobbt und sich somit finanziell über Wasser halten können. Wenn sie es nur wollte, dass hatte Liz immer gewusst, konnte sie alles schaffen. Und das hatte sie zweifellos getan. Auch wenn es nicht unbedingt leicht gewesen war. Aber wer hatte schließlich schon ein leichtes Leben? Sie war Ärztin, Chirurgin geworden und hatte nun sogar die Stelle des Oberarztes im Krankenhaus von St. Elwin angeboten bekommen.
Nachdem Elizabeth bereits mehrere Jahre in der Notaufnahme eines Großstadthospitals gearbeitet hatte, war eines Tages der Brief ihrer Freundin Rachel eingetroffen. Sie hatte ihr mitgeteilt, dass das hiesige Krankenhaus einen neuen Arzt suchte. Anscheinend hielt es niemanden in der Kleinstadt, wenn er darauf aus war, Karriere zu machen.
Zunächst hatte Liz den überraschend verlockenden Gedanken strikt abgelehnt. Dann jedoch lediglich aus Spaß, wie sie sich zunächst einredete, hatte sie ein Bewerbungsschreiben an den Leiter des Krankenhauses, Dr. Jefferson, abgeschickt. Die chirurgische Abteilung mit angegliederter Notaufnahme, antwortete er ihr prompt, brauche einen erfahrenen Arzt. Zumeist handelte es sich bei den Patienten um Touristen, die sich, besonders in den Sommermonaten, recht zahlreich an der Küste tummelten, so hatte er ihr die Situation geschildert. Also, wahrscheinlich nichts im Vergleich mit ihren aufreibenden Diensten in der Notaufnahme einer Großstadt. Plötzlich jedoch hatte sie es gewusst. Dass sich ihr hier die Chance bot, ihre Arbeit ausführen zu können, wie sie sich das bereits seit längerem wünschte. Sie lechzte nämlich keineswegs nach einer steilen Karriere. Stattdessen legte sie größten Wert auf das Heilen. Schließlich hatte sie genau aus diesem Grund den Beruf der Medizinerin ergriffen. Letztendlich war es egal, wie groß das Krankenhaus war, in
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