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Rechtsdruck

Rechtsdruck

Titel: Rechtsdruck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias P. Gibert
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Tür hinter sich und trat wieder auf den Flur, wo
er ein paar Minuten warten musste, bis die Schwester auftauchte.
    »Cooler Auftritt, eben«, zischte er, als die junge Frau an ihm vorbeiging.
    »Notwendigerweise«, gab sie trocken zurück, und war auch schon in einem
der anderen Krankenzimmer verschwunden. Weiler stieß einen obszönen Fluch aus, der
sie jedoch nicht mehr erreichte, und betrat erneut das Zimmer, aus dem er kurz zuvor
weichen musste.
    Darin stand ein einzelnes Krankenbett, in dem eine Person mit dick
verbundenem Gesicht und Kopf lag. Nur die Augen und der Mund waren durch Öffnungen
zu erkennen. Das rechte Bein des Kranken lag erhöht auf einem Schaumstoffkeil, war
dick verbunden und steckte zur Hälfte in einer Schiene, das andere wurde von der
Bettdecke verborgen. Seine beiden Arme waren ebenfalls verbunden und lagen parallel
zum Oberkörper. Gerold Schmitt versuchte, den Kopf zu drehen und in die Richtung
seines Besuchers zu blicken, doch es gelang ihm nicht.
    »Bleib ganz ruhig, Gerold«, wurde er von dem Mann begrüßt, der sich
ein paar Augenblicke später neben dem Bett aufstellte, nach seiner rechten Hand
griff, und sie vorsichtig drückte.
    »Ja?«, fragte Schmitt irritiert, und zuckte wegen des durch den Händedruck
ausgelösten Schmerzes leicht zusammen. »Wer sind Sie? Ich kenne Sie nicht.«
    Seine Artikulation war nasal und nur schwer zu verstehen.
    »Sicher kennst du mich, Gerold. Nicht persönlich, aber die Kameraden
haben bestimmt schon von mir gesprochen.«
    Der Verletzte atmete tief und schwer ein, sah seinem Besucher fest
ins Gesicht und schüttelte langsam und kaum sichtbar den Kopf. »Nein, ich kenne
Sie nicht.«
    Nun setzte Frank Weiler sein gewinnenstes Lächeln auf und tätschelte
Schmitt die Hand. Dann stellte er sich vor. »Ich bin Frank Weiler. Aus Kassel. Und
ich bin davon überzeugt, dass du schon von mir gehört hast.«
    Und ob Gerold Schmitt schon von Frank Weiler aus Kassel gehört hatte.
Er sah den Mann an seinem Krankenbett bewundernd an. »Sie sind es wirklich?«
    Weiler nickte.
    »Und was wollen Sie von mir?«
    »Mit dir reden. Einfach nur reden.«
    »Worüber?«
    Der Geschäftsmann deutete auf das Gesicht von Schmitt, dann die Arme,
und schließlich das eingegipste Bein. »Darüber natürlich. Über deine Verletzungen,
und wer dafür verantwortlich ist.«
    Schmitt bewegte wieder langsam den Kopf hin und her. »Ich weiß es nicht«,
flüsterte er. »Ich weiß es einfach nicht.«
    Weiler hob beschwichtigend die Hand. »Vielleicht weißt du es nur noch nicht, Gerold. Vielleicht sind in deinem Unterbewusstsein Informationen verborgen,
die wir nur wieder befreien müssen.«
    Wieder bewegte Schmitt mühsam den Kopf. »Nein, nein. Ich habe, schon
seit ich wieder bei Bewusstsein bin, nachgedacht, aber es will mir einfach nichts
einfallen. Ich kann mich nicht erinnern. An nichts aus dieser Nacht kann ich mich
erinnern.«
    »Weißt du, dass du vorher in der Kneipe gewesen bist?«
    »Das ist das Letzte, an das ich mich erinnern kann. Danach kommt der
Filmriss.«
    »Du warst auf dem Weg nach Hause.«
    »Das hat mir der Polizist, der mich vernommen hat, auch gesagt, aber
ich weiß es nicht. Jeder Depp könnte mir was erzählen, und ich müsste es glauben.«
    »Also die Kneipe. Wer hat dich dort bedient?«
    »Der Roland.«
    »Roland?«
    »Ja, der Wirt heißt Roland.«
    »Und du weißt, wie er aussieht?«
    »Klar«, erwiderte Schmitt mit einem Anflug von Widerwillen.
    »Du hattest ziemlich getankt.«
    »Das glaube ich auch.«
    »Wie viel?«
    »Eine ganze Menge Bier. Und ein paar Kurze. Aber wie viele genau, weiß
ich nicht mehr. Keine Ahnung.«
    »Du hattest 17 große Biere und 13 Schnäpse.«
    »Woher wissen Sie das?«
    »Ich habe dafür gesorgt, dass das alles bezahlt wurde.«
    »Mein Deckel ist bezahlt?«
    »Ja, alles erledigt.«
    »Wow.« Schmitt atmete wieder tief ein und drehte seinen Oberkörper
ein wenig nach rechts. Dabei stöhnte er leise auf. »Warum haben Sie das gemacht?«
    »Weil wir keinen Kameraden, auch wenn er manchmal nicht so genau weiß,
wo er zu Hause ist, im Regen stehen lassen. Wir sind immer für dich da.«
    »Wow«, machte der Mann im Bett erneut.
    »Du musst dich nicht bedanken. Wenn du versuchst, dich an die Nacht
zu erinnern, reicht das schon.«
    »Aber …«
    »Psst«, bremste der Besucher. »Wir haben Zeit. Und ich bin sicher,
dass sich das eine oder andere wiederfindet.«
    Er drehte sich um, zog einen Stuhl vom Tisch zu sich heran und setzte
sich.

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