Red Shark: Thriller (German Edition)
Nordkoreanern zu tun. Seine Erfahrungen mit ihnen beschränkten sich bisher darauf, dass er eine ihrer Fregatten torpediert und ihnen ein SEAL-Team vor der Nase weggeschnappt hatte. Es gab zahlreiche Möglichkeiten, Nordkorea unter Druck zu setzen, für die man keine Erkundung mit einem U-Boot brauchte, die sich leicht zu einem Selbstmordkommando entwickeln konnte, falls es das war, was Radford vorschwebte.
»Commander Scott?«
Der Mann beugte sich in den Wind, der ihm seinen braunen Regenmantel zwischen die Beine wehte. Obwohl Scott das Gelände um ihn herum gut einsehen konnte, hatte er nicht bemerkt, dass der Mann näher gekommen war. Jetzt stand er einfach vor ihm, und Scott kam sich vor wie ein Idiot.
»Ich bin Scott«, sagte er knapp.
»Der General wartet. Würden Sie bitte mit mir kommen?«, forderte der Mann ihn auf.
Scott musterte ihn. »Wer sind Sie?«
»Tom Kennedy. Ich arbeite für den General.« Er gab Scott weder die Hand noch zeigte er ihm einen Ausweis.
Scott folgte Kennedy nach Norden die Union Street hinauf, bis sie einen schwarzen Mercury Marquis erreichten, der sie mit laufendem Motor erwartete. Kennedy öffnete Scott eine Hintertür und setzte sich dann selbst auf den Beifahrersitz.
Scott roch ein ihm bekanntes Aftershave. Der General saß tief in einer Ecke der Rückbank. Sein faltiges Gesicht wurde hart von den Straßenlampen beleuchtet. Er trug einen schwarzen Kaschmirmantel über einem dunklen Zweireiher. Scott kam sich nicht nur inadäquat bekleidet vor, sondern auch ausgesprochen fehl am Platz.
»Schön, Sie zu sehen, Scott«, sagte Radford.
Sie gaben sich über die gepolsterte Armstütze die Hand, und dann klopfte Radford kurz an die Scheibe der Fahrerkabine. Der Marquis fuhr los, bog nach links ab und sauste dann auf die Washington Street zu.
Scott wollte etwas sagen, aber Radford brachte ihn mit einer kurzen Handbewegung zum Schweigen. Sein Ring von der Air Force Academy blitzte im Schatten wie ein Diamant auf. »Alle Ihre Fragen werden beantwortet. Vorerst muss es Ihnen genügen, wenn ich sage, dass wir wieder eine Krise auf der Halbinsel Korea haben. Marschall Jin sagt, er will Frieden, aber der Präsident glaubt ihm nicht. Wir sind überzeugt, dass Jin und seine Gesinnungsfreunde hinter den Bombenanschlägen stecken, nicht Kim, und dass sie ihm die Anschläge nur in die Schuhe geschoben haben, weil sie eine Rechfertigung für ihren Putsch brauchten. Herrgott noch mal, Jin war doch von Anfang an gegen die Entwaffnung. Dieser nordkoreanische Überläufer Jao hat uns sogar davor gewarnt, dass das passieren könnte. Zu dumm, dass wir nicht auf ihn gehört haben.«
Radford sah in den dichten Verkehr hinaus. »Kein Mensch würde eine Träne vergießen, wenn Kim an die Wand gestellt würde, aber darum geht es hier nicht«, fuhr er schließlich fort. »Wir hatten einen Vertrag mit ihm geschlossen, und dafür waren jahrelange Verhandlungen nötig. Wir konnten nur deshalb ein Blutbad auf der Halbinsel abwenden, weil Kim keine andere Wahl hatte, als den Forderungen der USA, Japans und Chinas nach Entwaffnung nachzugeben. Diese verdammten Südkoreaner waren doch schon bereit, ihm nachzugeben, weil sie einfach nicht einsehen wollten, dass das gesamte Regime faul ist bis ins Mark und kurz davorsteht, wie ein Kartenhaus zusammenzubrechen. Und jetzt stehen wir wieder ganz am Anfang. Jin und seine Generäle sind Betonköpfe, und Lügner sind sie außerdem. Und er ist mit Leib und Seele Kommunist. Schlimmer noch, er hat völlig den Bezug zur Realität verloren. Vielleicht ist er sogar ein bisschen verrückt. Das sind sie doch alle. Es ist also keine Überraschung, dass Jin sich vielleicht einen neuen Plan ausgekocht hat, wie er uns atomar erpressen könnte.«
»Was denn für einen Plan?«, fragte Scott.
»Ah.« Nun sah Radford Scott zum ersten Mal direkt ins Gesicht. »Genau das möchte der Präsident wissen.« Er zündete sich eine Zigarette an und verstaute das Feuerzeug wieder im Futteral an der Armlehne, bevor er weitersprach. »Stört es Sie, wenn ich rauche?« Er ließ die Scheibe etwas herunter. »Wir haben unter anderem einige Funksprüche aufgefangen, die darauf hindeuten könnten, dass die Nordkoreaner etwas vorhaben, und dass Jin daran direkt beteiligt ist. Wir wissen nicht, woran, aber das besprechen wir nach unserer Ankunft.«
»Wo?«, wollte Scott wissen.
»Nicht weit, nur ein Stück die Straße runter«, wich Radford aus.
2
M OUNT V ERNON , V IRGINIA
Der Wagen bog nach
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