Reise nach dem Mittelpunkt der Erde
für ein Ungeheuer muß das sein, das eine solche Menge Wasser in sich aufnehmen und unaufhörlich wieder ausstoßen kann!
Um acht Uhr Abends sind wir nur noch zwanzig Kilometer von demselben entfernt. Sein schwärzlicher, enormer, bergähnlicher Körper streckt sich gleich einem Inselchen in’s Meer hin. Ist’s Täuschung, ist’s Schrecken? es scheint über tausend Toisen lang zu sein! Was für eine Gattung von Wallfischgeschlecht ist das, die weder von Cuvier noch von Blumenbach vorgesehen wurde? Unbeweglich, wie schlafend liegt es da; das Meer scheint es nicht emporheben zu können, und die Wogen umspielen seine Seiten. Die fünfhundert Fuß hohe Wassersäule fällt mit betäubendem Getöse als Regen nieder. Unsinnig, auf eine solche Masse, die hundert Wallfische nur einen Tag nicht sättigen könnten, loszufahren.
Der Schrecken befällt mich. Ich will nicht weiter! Ich werde nöthigenfalls das Segeltau zerhauen! Ich empöre mich gegen den Professor, der mir keine Antwort giebt.
Plötzlich steht Hans auf, zeigt mit dem Finger auf den drohenden Punkt und spricht:
»Holme.
– Eine Insel, rief mein Oheim.
– Eine Insel! sagte auch ich mit Achselzucken.
– Offenbar, versetzte der Professor und lachte laut auf.
– Aber diese Wassersäule?
– Geyser, sprach Hans.
– Ja wohl, Geyser! erwiderte mein Oheim, ein Geyser gleich denen, wie sie auf Island vorkommen.«
Anfangs sträubte ich mich dagegen, mich so gröblich getäuscht zu haben. Ein Inselchen für ein Seeungeheuer zu halten! Aber der Augenschein zeigt es, und ich muß endlich meinen Irrthum eingestehen. Es ist hier nur eine Naturerscheinung.
Je näher wir kommen, zeigen sich die Verhältnisse des Wasserstrahls großartiger. Das Inselchen ist wirklich einem Wallfisch täuschend ähnlich, einem riesenhaften Thier, dessen Kopf zehn Toisen hoch das Meer überragt. Der Geyser erhebt sich majestätisch am einen Ende. Von Zeit zu Zeit hört man dumpfes Getöse, und der enorme Wasserstrahl, vom heftigsten Zorn getrieben, schüttelt seine Dunstbüschel, bis zur obersten Wolkenschichte empordringend. Er ist vereinzelt; keine Rauchsäulen, keine heißen Quellen umgeben ihn, die gesammte vulkanische Kraft concentrirt sich in ihm. Die Strahlen des elektrischen Lichtes mischen sich mit diesem blendenden Strahlenbüschel, dessen Tropfen in allen Farben des Prisma’s spielen.
»Landen wir«, sagte der Professor.
Aber man muß sorgfältig dieser Wassersäule ausweichen, welche in einem Moment das Floß versenken würde. Hans bringt uns durch geschickte Wendungen an das äußerste Ende der Insel.
Ich springe heraus auf den Felsen. Mein Oheim folgt mir flink nach, während der Jäger auf seinem Posten bleibt, als ein Mensch, der über solches Erstaunen hinaus ist.
Wir schreiten über einen mit Kieseltuff vermischten Granit; der Boden erzittert unter unseren Füßen; er ist brennend. Wir gelangen zu einem kleinen Central-Becken, woraus der Geyser sich erhebt. Ich halte in das siedende Wasser ein Thermometer, welcher eine Hitze von hundertdreiundsechzig Grad nachweist.
Also dieses Wasser kommt aus einem Herde der Gluth. Dies widerspricht auffallend den Theorien des Professors Lidenbrock. Ich konnte mich nicht enthalten, dieses bemerklich zu machen.
»Wie nun, entgegnete er, was beweist dies gegen meine Lehre?
– Nichts«, sagte ich trocken, denn ich sah, daß ich wider vollendete Hartnäckigkeit stieß.
Demungeachtet muß ich gestehen, daß wir bis jetzt ausnehmend begünstigt sind, und daß, aus einem mir unbekannten Grunde, diese Reise besonderen Bedingungen der Temperatur unterliegt; aber es scheint mir klar, gewiß, daß wir früher oder später in solche Regionen kommen werden, wo die Centralwärme den höchsten Grad erreicht und über alle Thermometermessungen hinausgeht.
»Nun, wir werden sehen«, sprach der Professor. Er benannte das vulkanische Inselchen nach seinem Neffen, dann gab er das Zeichen zum Einschiffen.
Einige Minuten noch betrachte ich den Geyser. Ich bemerke, daß sein Strahl unregelmäßig im Aufsprudeln ist, daß er manchmal an Stärke abnimmt, dann mit erneuter Kraft fortfährt, was ich der wechselnden Stärke des Drucks der in seinem Vorrathsbehälter gesammelten Dünste zuschreibe.
Endlich fahren wir ab um die sehr steilen Felsen des Südens herum. Hans hatte während unseres Aufenthaltes das Floß wieder in guten Stand gesetzt.
Aber ehe wir abstachen, mache ich einige Bemerkungen, um die durchlaufene Entfernung zu
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