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Wie Sand in meinen Händen

Wie Sand in meinen Händen

Titel: Wie Sand in meinen Händen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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Prolog
    In Irland
    E s war das Land ihrer Vorfahren, und Honor hätte schwören mögen, ihre Stimmen im Wind rufen zu hören. Der Sturm hatte sich seit dem frühen Morgen zusammengebraut, der silberne Dunst war strömendem Regen gewichen. Windböen fegten vom Meer herüber, bogen Hecken und Bäume, so dass sie beinahe den Boden berührten. Die Steinmauern, die ihr bei der Ankunft so magisch erschienen waren, kamen ihr nun düster und bedrohlich vor.
    Gestern Morgen im Flugzeug hatte sie beim Anblick der smaragdgrünen Wiesen, Hecken und Bäume ehrfürchtige Scheu empfunden. Ihre drei Töchter hatten angestrengt nach unten gespäht, aufgeregt und in der Hoffnung, die Skulptur ihres Vaters schon aus der Luft ausmachen zu können. Er hatte ihnen in seinen Briefen von Irland erzählt, von dem Bauernhaus in West Cork, das er als Unterkunft für die Familie gefunden hatte, und dass sein neuestes Kunstwerk am Rande einer Klippe stand und auf das Meer hinausblickte. Sie hatten sich darum gestritten, wer die Briefe öffnen durfte, wer sie laut vorlesen und sie nachts unters Kopfkissen legen durfte.
    »Da muss es sein!«, hatte die vierzehnjährige Regis gerufen und auf eine verfallene Burg gezeigt.
    »Nein, dort drüben!«, hatte die zwölfjährige Agnes entgegnet und sich an ihre Schwester gedrängt, um aus dem Fenster zu deuten. Rechteckige grüne Felder säumten die Küste, ein jedes mit winzigen weißen Farmgebäuden gesprenkelt. Steintürme und Burgruinen schienen jede größere Anhöhe zu krönen.
    »Sie sehen genauso aus wie auf den Fotos, die Dad geschickt hat«, meinte Cecilia, gerade sieben Jahre alt. »Egal, welches Haus es ist, Hauptsache, wir sind wieder zusammen. Stimmt’s, Mom?«
    »Stimmt, Schatz.« Honors Stimme klang wesentlich ruhiger, als sie sich fühlte.
    »Genau wie zu Hause, Mom«, meinte Agnes, den Kopf an die Fensterscheibe des Flugzeugs gepresst. »Strand, Steinmauern … nur befinden wir uns jetzt auf der anderen Seite des Atlantiks statt daheim in Black Hall. Als würde man durch einen Spiegel gehen …«
    »Schaut euch das viele Grün an«, staunte Cecilia.
    »Genau wie die grünen Gefilde unserer Heimat.« Agnes wiederholte unbewusst die poetischen Worte eines Liedes, das ihre Tante ihr früher vorzusingen pflegte.
    »Was tust du als Erstes, wenn du Daddy wiedersiehst?«, fragte Regis, wandte sich um und spähte zu Honor hinüber. Die Miene ihrer Tochter war herausfordernd, als ahnte sie, wie beklommen ihrer Mutter zumute war.
    »Sie umarmt und küsst ihn«, meinte Agnes. »Stimmt’s, Mom?«
    »Ich auch!«, ereiferte sich Cece.
    »Ich werde ihn als Erstes bitten, mir die Skulptur zu zeigen«, ließ sich Regis vernehmen. »Es ist die größte, die er bisher gemacht hat, und sie steht am Rand der höchsten Klippe; ich möchte bis nach oben klettern, vielleicht kann ich ja Amerika sehen!«
    »Man kann nicht quer über den Atlantischen Ozean bis nach Amerika sehen, oder, Mom?«, erkundigte sich Cece.
    »Das werde ich wohl, das schwöre ich dir«, sagte Regis. »Dad sagte, dass er Amerika von dort aus sehen könnte, also warum sollte ich das nicht auch?«
    »Das hat dein Vater bildlich gemeint«, erwiderte Honor. »Er wollte damit zum Ausdruck bringen, dass er Amerika in seinen Gedanken oder in seinem Herzen sehen kann … den Traum von Amerika, den unsere Vorfahren hatten, als sie Irland verließen.«
    »Daddy träumt immer noch«, meinte Cece.
    Cece hatte die Tage bis zu dieser Abreise gezählt. Agnes betete für seine Sicherheit. Und Regis folgte seinen Fußstapfen. Obgleich sie keine künstlerische Laufbahn einschlagen wollte, sehnte sie sich danach, ein spannendes Leben zu führen, unkonventionell und rasant. Im vergangenen Jahr war sie zweimal von der Polizei aufgegriffen und in die Akademie zurückgebracht worden – beim ersten Mal war sie von der Eisenbahnbrücke in das Wasser des Devil’s Hole gesprungen, beim zweiten Mal war sie bis zur Spitze des Leuchtturms geklettert, um die irische Flagge zu hissen.
    Statt außer sich vor Sorge zu sein, hatte John seine Kamera genommen und war direkt zum Leuchtturm gegangen, um Fotos zu machen, bevor die Küstenwache hinaufsteigen und die Fahne einholen konnte. Er war tief berührt vom Stolz seiner Tochter auf ihr irisches Erbe und von ihrer Art, dies zu zeigen – ungeachtet jedes Risikos.
    Ähnlich verhielt es sich mit seinen Skulpturen; er nannte sie »Sandburgen«, eine Bezeichnung, die an idyllische Strände und Familien erinnerte, die im

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