0572 - Terror der Vogelmenschen
Die Gesichter der Männer an Deck waren von einer atemlosen Spannung gezeichnet. Obwohl die Sonne trotz des frühen Monats Februar viel Kraft aufbrachte, froren sie an Bord. Es war nicht die äußerliche Kälte, sondern die, die von innen kam. Keiner von ihnen wußte genau, was sie erwartete, aber ein jeder war abergläubisch.
Das Bergungsschiff war mit modernster Elektronik ausgestattet.
Seit Griechenland zur NATO zählte, hatte man für gewisse Forschungen aus dem großen Topf Geld locker machen können. Um forschen zu können, mußte erst etwas vorhanden sein. Dazu gehörte die Bergung wertvoller Antiquitäten.
Und die hatten sie entdeckt.
Es war eine uralte Truhe. Sie wußten nicht einmal, aus welchem Material sie bestand. Ihnen war nur klar, daß sie sehr alt sein mußte.
Ein Taucher, der sich auch als Hobby-Archäologe betätigte und sich in der Historie ebenfalls auskannte, hatte die Truhe älter geschätzt als das minoische Zeitalter. Die Truhe war also vor der Hochblüte der Insel Kreta entstanden.
Das Bergungsschiff dümpelte etwa fünfzig Meilen südlich der griechischen Küste, inmitten der zahlreichen Inseln, deren Namen selbst den Seeleuten nicht alle bekannt waren.
Es wurden immer wieder Schätze gefunden, nicht nur von griechischen Schiffen, die im Auftrag der Regierung fuhren. Auch Gangsterbanden waren unterwegs, um die Kostbarkeiten zu heben und sie auf dem Schwarzmarkt zu horrenden Preisen zu verkaufen.
Der Kapitän hatte die weiß gestrichene Brücke verlassen und trat zu seinen Leuten. Die Rockschöße seiner schmucken Uniform wehten im leichten Westwind.
»Wie lange sind die beiden Taucher schon unten?«
»Etwa fünfzehn Minuten.«
Der Kapitän nickte und schaute zu dem großen Hebekran, von dem aus die starken Trossen herabliefen und im Wasser verschwanden.
»Wir haben ihnen eine halbe Stunde gegeben, mehr nicht.«
»Das müßte auch reichen.«
Der Koch hatte seine Kombüse verlassen und gesellte sich zu den Männern. Nicht nur er roch nach Knoblauch, auch seine Kleidung stank, als wäre sie damit eingerieben worden.
»Ist es schon soweit?«
»Kümmer du dich ums Essen, Pfannenschwenker.«
»Ist schon fast fertig.«
»Was gibt es denn?«
Der Koch, er stammte aus Armenien, grinste. »Rinderhack und Weinlaubblätter.«
»Das hatten wir schon gestern.«
Er lachte. »Das gibt es auch morgen.«
Nur die Anwesenheit des Kapitäns hielt die Männer davon ab, den Koch kurz ins Wasser zu tauchen, was sie schon des öfteren getan hatten. An derartige Scherze war der Mann gewöhnt.
An dieser Stelle war das Meer nicht tief. Unterhalb des Schiffes lag ein Gebirge mit einem großen, ziemlich flachen Plateau. Das hatten die Aufnahmen genau gezeigt. Und genau dort befand sich diese Truhe, als hätte sie jemand bewußt dahingelegt.
Weshalb sie nicht schon früher entdeckt worden war, konnte keiner von ihnen sagen. Wahrscheinlich war sie mit Sand bedeckt gewesen, den unterirdische Strömungen erst in den letzten Tagen abgetragen hatten.
Der Kapitän zündete sich einen Zigarillo an und schaute über das Wasser. Es war ein ruhiger Tag. Ebenso ruhig verhielt sich das Meer, dessen Oberfläche aussah wie blank geputztes Glas.
In der Ferne waren die Uferstreifen dreier Nachbarinseln zu erkennen. Sie selbst befanden sich an der Südseite eines felsigen Eilands, dessen Steilküste wie eine breite Mauer aus der See ragte und in einem ockerfarbenen Ton schimmerte.
Etwa zwanzig Meter entfernt erschienen plötzlich Luftblasen an der Oberfläche. Ein Zeichen, daß jemand aus der Tiefe an die Oberfläche stieg. Es waren die beiden Taucher. Schon kurze Zeit später zeichneten sich ihre Oberkörper dicht unter dem grünlichen schimmernden »Glas« ab, dann hüpften die Köpfe aus dem Wasser.
Die Männer winkten. Taue wurden ihnen zugeworfen, die sie geschickt auffingen und sich bis an die Außenleiter ziehen ließen. Jemand holte Tee, den die beiden Taucher tranken, nachdem sie die Mundstücke herausgenommen hatten.
»Alles klar«, meldeten sie. »Wir haben die Haken an der Kiste befestigt.«
»Ist es wirklich eine Kiste?«
»Nein.« Einer der Taucher stellte seine Tasse weg und schaute dem Kapitän ins Gesicht.
»Was dann?«
»Wollen Sie meine ehrliche Meinung hören?«
»Selbstverständlich.«
»Es… es … erinnerte mich an einen Sarg. Ja, an einen Sarg.« Er schaute seinen Kollegen an, der zustimmend nickte.
»Wie kommt ihr denn darauf?«
»Weil es so aussah, Käpt’n.«
Der Mann
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