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Reise zu Lena

Reise zu Lena

Titel: Reise zu Lena Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Neven DuMont
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einatmet? Das bringt ihm neues Leben, hat er einmal gesagt. Was mag er jetzt denken? Plant er etwas?
    Lena ist müde. Sie fühlt sich zu nichts mehr nutze. Wie so oft früher mit anderen Menschen. Welch ein Unterschied, ein Absturz, verglichen mit den letzten Tagen, Nächten! Sie hört seine Schritte in seinem Schlafzimmer, er muss zurückgekommen sein. So geht er, wenn er müde ist: Der leicht schlurfende Gang. Leise erhebt sie sich, schleicht sich in ihren Pantoffeln, die sie heute zum ersten Mal, seitdem er im Haus ist, wieder hervorgeholt hat, hinüber. Aha, denkt sie, als sie sieht, wie er seine Wäsche aus dem Schrank holt, um sie auf das aufgewühlte Bett zu legen. Kein Wunder: Seine Hände zittern wieder. Jetzt weiß sie Bescheid, tritt nach vorne, schiebt Albert behutsam zur Seite, seine Reisetasche bereits in der anderen Hand.
    Plötzlich erstarrt er, dicht neben ihr. Der Kopf legt sich von einer Seite auf die andere in schneller Folge.
    »Was hast Du?«
    Lena versucht ihn zu stützen.
    »Ich kann nicht . . . Ich bin wie gelähmt.«
    Sie schiebt ihm einen Schemel hin, hilft Albert, sich darauf zu setzen:
    »Ruhe Dich doch aus! Es gibt keine Eile.«
    Nach einer Weile nickt er ihr zu:
    »Es geht schon besser.«
    Sie greift nach der Reisetasche:
    »Soll ich?«
    Er nickt wieder.
    Viel ist es ja nicht, was es hier zu packen gibt. Sein Aufenthalt war nur für wenige Tage gedacht, die Zeit, die Christie blieb, bevor sie fort musste. Ja, es ist länger geworden, denkt Lena, und es waren überwältigende, schöne Tage.
    Als die Tasche fertig gepackt im dunklen Hausflur steht, schiebt Lena Albert noch einmal ins Wohnzimmer, stellt eine Tasse Kaffee vor ihn, schaut ihn lange an:
    »Und? Warum lässt Du sie nicht gehen? Lässt Du sie jetzt sterben? Darf sie endlich sterben, nachdem sie schon so lange tot ist?«
    Sie sitzen dicht nebeneinander.
    Albert: »Wie lange?«
    »Na, immerhin über zwei Jahre sind vergangen. Zwei Sommer. Zweimal das Sterben der Blätter, das Erstarren der Erde und dann der Frühling, mit den neuen Knospen, das alles einmal, zweimal. Ist das nicht eine lange Zeit?«
    »Ja, das stimmt, das ist eine verdammt lange Zeit . . .«
    »Also, Albert?«
    »Es fällt mir so schwer. Du verstehst das nicht. Wenn ich sie jetzt gehen lasse, sie einfach so ziehen lasse, aus meiner Angst, dann bleibe ich allein zurück. Mit meiner ganzen Angst bleibe ich allein zurück, ganz allein mit meiner Angst, das ist hart. Das ist zuviel verlangt.«
    »Was kann das für eine Angst sein? Angst vor dem Leben? Vor dem Tod?«
    »Wenn ich das wüsste, wäre ich wohl geheilt. Nein, weder das eine noch das andere, nein, es ist mehr. Nein, einfach Angst, vielleicht, weil ich da bin. Es ist so schwer in Worte zu fassen: Das Unbegreifliche, das Nichts . . . Der Abgrund . . . Alles nur Wörter! Davor habe ich mich versteckt. Mit meiner Liebe zu ihr. Diese Liebe wuchs, mehr und mehr, wuchs ins Unendliche. Ich glaubte mich gerettet. Als sie plötzlich nicht mehr da war, blieb mir die Trauer als Einziges. Und auch das, mein Letztes, soll ich jetzt aufgeben? Wie soll ich das schaffen, schaffe ich das?«
    »Vielleicht wiegt der Verlust der verstorbenen Liebe genauso schwer wie die Angst vor dem Alleinsein.«
    »Möglich, dem muss ich jetzt ins Auge sehen. Ich glaube, ich habe keine Wahl mehr. Jetzt nicht mehr.«
    Tränen stehen in seinen Augen. Er stammelt:
    »Denk an mich! Vergiss mich nicht! Und sei nicht traurig, wenn ich jetzt . . .«
    Sie fällt ihm ins Wort:
    » . . . wenn Du jetzt gehst. Doch, ich bin traurig, ich bin es jetzt schon. Das musst Du mir erlauben. Aber was wiegt die Traurigkeit gegen mein Glück! Es war mehr, als ich je zu hoffen wagte. Glaub mir, ich bin ein glücklicher Mensch!«
    Er greift zaghaft nach ihren Händen. Endlich hört er seine eigene Stimme, hölzern, fremd:
    »Ich glaube, ich nehme besser den Zug. Ich will es wagen, die Reise ganz auf mich gestellt. Es ist ja nicht so weit. Ruf mir bitte ein Taxi zum Bahnhof. Ich erreiche leicht den Mittagszug.«
    Sie nickt:
    »Schau hinaus! Das Taxi ist schon da, es steht draußen. Es wartet schon eine geraume Zeit. Aber es wird Dich nicht zum Bahnhof bringen, nein, es fährt Dich direkt zu Dir nach Haus.«
    Er erhebt seine Hände, die zu zittern begonnen haben, auch seine Beine bewegen sich wie im Takt. Lena legt ihre Hand auf sein Knie:
    »Sei mir nicht böse, aber dies ist die einzige Entscheidung, die mir für Dich noch bleibt. Im Wald konnte ich Dich führen.

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