Mythor - 068 - Traumland der Ambe
1.
In Celes Hain herrschte tiefe Trauer.
»Meine arme Schwester Vone«, klagte Zaems Grenzhexe und zog den gelben Mantel fester um ihren zitternden Körper. »Warum nur mußte sie ihr Leben lassen? Und daß sie durch das Schwert ihrer eigenen Amazone starb… Aber Weskina hat wenigstens ihre gerechte Strafe erhalten.«
»Das darfst du nicht so sehen, Cele«, redete Aelgeri ihrer Herrin zu. »Was Weskina tat, war richtig, denn Vone ist schon vorher gestorben, als sie Ambes Sendungen der Liebe empfing und davon vergiftet wurde. Vone war keine Dienerin ihrer Zaubermutter Zaem mehr, als Weskina sie enthauptete. Selbst Niez billigt diese Tat…«
Ein leiser Vorwurf klang aus Aelgeris Stimme, als sie ihrer Herrin die Tatsachen erklärte.
»Ich trauere um meine Schwester Vone«, sagte Cele und lehnte sich hilfsbedürftig gegen ihre Dienerin. »Alles andere zählt nicht mehr.«
»Doch«, sagte Aelgeri und nahm Celes hübsches Gesicht in beide Hände. »Du mußt mit Niez den Krieg der Hexen weiterführen, auch wenn Ambes Liebesgarten euer Land überwuchert. Noch ist dein Hain unentdeckt geblieben, so daß du weiterkämpfen kannst.«
»Es ist alles so sinnlos geworden, Aelgeri. Der Krieg ist verloren!«
»Vielleicht – sicher sogar. Aber denke daran, was deine Zaubermutter dir aufgetragen hat. Zaem ist mit ihrer Amazone Burra zum Hexenstern unterwegs, um der entarteten Fronja den Gnadenstoß zu geben. Und du kannst ihr helfen, indem du ihre Feinde besiegst. Sie hat ihre Namen genannt und dir Bilder von ihnen gezeigt. Erinnere dich!«
»Ich weiß, ich weiß«, sagte Cele traumverloren. »Sie heißen Honga, Scida, Gerrek und Lankohr. Aber wie soll ich an sie herankommen, wo sie sich längst in Ambes Obhut befinden und ich selbst mich vor ihrem Zugriff kaum schützen kann?«
»In deinem Hain bist du sicher. Und du hast noch mich!«
»Das ist gut zu wissen, Aelgeri, und ich möchte deine Nähe nicht missen«, sagte Cele und klammerte sich wie eine Ertrinkende an ihre Dienerin.
Aelgeri löste sich sanft aus der Umarmung der Hexe.
»Niez hat sich gemeldet«, sagte sie. »Sie will dich sprechen.«
Aelgeri brachte den Zauberkristall, legte ihn vor ihrer Herrin in die Ausbuchtung des Dreibeins und. stellte sich dann hinter sie. Sie griff Cele unters Haar und kraulte sie im Nacken.
»Das tut gut.« Cele schloß vor Behagen die Augen. »Am liebsten würde ich…«
»Sprich es lieber nicht aus, kleine Närrin«, erklang da eine barsche Stimme. »Wenn man dich so hört, würde man nie vermuten, daß du eine Hexe bist, die im zehnten Rang steht.«
Cele riß erschrocken die Augen auf. Sie fühlte sich ertappt, als sie in der Zauberkugel Niez’ knöchernes Gesicht erblickte. Ihre kalten Augen blickten strafend aus dem Kristall.
»Verspürst du denn keine Trauer, Niez?« fragte Cele.
»Ich lasse mich jedenfalls nicht so gehen«, erwiderte die Hexe, die im gleichen Rang wie Cele stand. »Es tut mir leid um Vone, aber letztlich war es für uns alle besser so. Wenn sich Weskina nicht ihren Kopf geholt hätte, dann hätte Vone auf Ambes Seite gegen uns gekämpft. Und was dich betrifft… Bist du etwa auch bereits von Ambe angesteckt worden?«
»Niez!« rief Cele entsetzt. »Wie kannst du nur so etwas Abscheuliches von mir denken.«
»Dann handle endlich!«
»Was soll ich tun?«
»Zaems Auftrag ausführen, der lautet, Hongas Bande dingfest zu machen«, erklärte Niez.
»Aber wie sollen wir das anstellen, wo um uns Ambes Liebesgarten ist und ihre Gärtnerinnen nach unseren Hainen suchen?« erkundigte sich Cele. »Dazu kommt noch, daß einige meiner Getreuen ausgerissen sind. Bestimmt sind einige davon zu Ambe übergelaufen…«
»Du mußt dir selbst etwas einfallen lassen, Cele«, unterbrach sie Niez mit schneidender Stimme. »Eine Zusammenarbeit zwischen uns ist unmöglich, weil das die Gefahr einer Entdeckung vergrößert. Wir sind jede auf sich selbst gestellt. Aber handeln müssen wir! Ist dir das klar, Cele?«
»Ich wollte einen Mond lang um Vone trauern…«, sagte Cele. »Aber ich verschiebe die Zeit der Trauer auf später. Ich werde kämpfen!«
Niez schien zufrieden. Sie nickte, und ihr Bildnis verschwand aus dem Zauberkristall. Cele starrte noch eine ganze Weile auf die Kugel, dann drehte sie sich zu ihrer Dienerin um.
»Ich habe niemanden mehr, außer dir, auf den ich mich verlassen kann«, sagte sie. »Mir bricht fast das Herz bei dem Gedanken, mich von dir zu trennen, aber es muß sein. Ich werde dich an die
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