Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Requiem für eine Sängerin

Requiem für eine Sängerin

Titel: Requiem für eine Sängerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Corley
Vom Netzwerk:
erschauerte und zog den warmen Bademantel fester um ihre weißen Schultern. Es wurde Zeit, dass sie sich anzog – sich auf den Abend vorbereitete. Ihr Mädchen hatte ihr das Haar kunstvoll frisiert und alles sorgsam gepolstert, als Octavia sich hinlegte. Das blauschwarze Haar war in glänzende Locken gelegt und hochgesteckt, was ihren weißen Hals streckte und die fein geschnittenen, porzellangleichen Wangen und den Kiefer betonte.
    Sie schminkte sich immer selbst, weil sie genau wusste, wie sie ihre Augen betonen musste – damit sie größer wirkten, was grenzenlose Möglichkeiten für ein dramatisches Mienenspiel eröffnete. Normalerweise brauchte sie für einen schlichten Soloauftritt kein Makeup, aber heute waren etwas Rouge für die Wangenknochen und ein Hauch Puder unerlässlich, um die schreckliche Blässe zu überdecken.
    Nun konnte sie sich ankleiden. Ein langer Spiegel war eigens für sie in das Zimmer gestellt worden. Sie ließ Nightingales türkisfarbenen Bademantel zu Boden gleiten und blieb nackt vor dem Spiegel stehen. Sanft und neugierig strich sie über ihre Schultern, zärtlich über die Brüste, hielt sie in den hohlen Händen, streichelte die Brustwarzen, ließ die Finger langsam weiter über ihren flachen Bauch bis zu den Schenkeln wandern.
    Sie spreizte die Beine und sah fasziniert zu, wie ihre eigenen Finger mit den rot lackierten Nägeln streichelten und reizten. Eine Hand ließ sie zwischen die Schenkel gleiten, doch dann hörte sie auf. Sie wollte die sexuelle Energie festhalten und erst später, während des Auftritts, freisetzen. Aus Erfahrung wusste sie, dass die Spannung ihrer Stimme erheblich mehr Leidenschaft verlieh.
    Sie legte die Kleidungsstücke zurecht, die sie tragen wollte; jedes Teil makellos gebügelt. Als sie in den taubeneigrauen Body schlüpfte, ging ihr durch den Kopf, dass die nächsten Hände, die sie auszogen, die eines Pathologen sein konnten. Erinnerungen an eine Grundschullehrerin kamen ihr in den Sinn – «achtet immer darauf, dass ihr saubere Unterwäsche anhabt, ihr wisst nie, was euch zustößt». Bei der Erinnerung an ihre frühe Kindheit lächelte sie, statt zu erschauern. Ihr Leben war eine einzige lange Vorstellung gewesen, warum sollte die nicht über ihren Tod hinaus andauern?
    Strümpfe trug sie nicht, sie spürte so gern die Seide an den mit Wachs enthaarten Beinen. Es klopfte.
    «Zehn Minuten, Madam.»
    «Ja, ich bin gleich fertig.»
    Sie stieg in ihr Kleid. Es war leuchtend rot; breite, gestützte Flügel verliefen von der Taille an nach oben und bauschten sich an den Schultern über langen, hautengen Ärmeln. Der Ausschnitt war gerade und ziemlich tief, der Rock glockig; die Taille wirkte täuschend schmal, ließ aber viel Raum zum Luftholen. Eine Schleppe hing von den Schultern, und die beiden Flügel vereinigten sich am Rücken und gingen in einen hohen, steifen Kragen über.
    Der Gesamteindruck war atemberaubend. Ihr weißer Hals ragte wie eine zierliche Marmorsäule aus roten Blütenblättern hervor, der Kopf bildete den Mittelpunkt des Ganzen, gleich dem gekrümmten Staubblatt einer Hibiskusblüte. Sie beschloss, auf eine Kette zu verzichten, legte aber Ohrringe aus Rubinen und Diamanten an und streifte einen dazu passenden Ring an den Mittelfinger der linken Hand.
    Ohne einen weiteren Blick darauf zu werfen, versteckte sie das leuchtende Kleid unter einem schweren schwarzen Opernumhang und verließ das Zimmer.
     
    Jason MacDonald war eine unerwünschte und unnötige Ablenkung für Blites Team gewesen, und die anschließende Durchsuchung der Kathedrale, Zentimeter für Zentimeter, eine Zerreißprobe für die Nerven. Oben auf der Empore trugen die Trompeter und der Tontechniker, die von Anfang an einen stummen Kampf um Territorialrechte ausgefochten hatten, ihren Spleen nun auch noch auf dem Rücken der unglücklichen Polizisten aus, die es wagten, zusätzlich in dem engen Raum herumzukriechen. Als sie zum dritten Mal an diesem Tag Anstalten machten, die Notenständer auseinander zu nehmen, musste Cooper einschreiten, um Handgreiflichkeiten zu verhindern.
    Rowland, der das Debakel aus vergleichsweise komfortabler Position beobachtete, fand es sehr amüsant. Sicher, er musste seine Waffe noch zusammenbauen; sicher, sie war längst nicht so gut wie die ursprünglich geplante; sicher, er würde die meiste Zeit den neugierigen Blicken mehrerer Instrumentalisten ausgesetzt sein, was die Durchführung seines Plans erschweren würde. Aber er verlor

Weitere Kostenlose Bücher