Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Ruf der Finsternis - Algarad 2

Der Ruf der Finsternis - Algarad 2

Titel: Der Ruf der Finsternis - Algarad 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Reichard
Vom Netzwerk:
1
    Ein kleiner Habicht kämpfte gegen die Sturmböen über der Küste der Insel Caithas Dun. Er war abgemagert von der langen Reise, die er von Gondun übers Meer unternommen hatte, sein braunes Gefieder war zerzaust und seine dunklen Augen hatten ihren Glanz verloren. Der fauchende Wind warf ihn immer wieder zurück, sodass er die mühsam erreichte Strecke von neuem aufholen musste. Die Schläge seiner Flügel wurden allmählich schwächer, doch er setzte seinen Weg beharrlich fort. Vor ihm, nicht mehr allzu weit entfernt, erhob sich auf Hügeln aus Asche und Lava sein Ziel: Nagatha, die gewaltige Festung des Todesfürsten Achest. Ihre lichtlosen Torbögen und Fenster starrten ihm feindselig entgegen.
    Die Bauart Nagathas war bizarr. Die Festung schien fast nur aus Türmen und Zinnen unterschiedlicher Höhe und Breite zu bestehen, die dicht beisammenstanden und durch Brücken und überdachte Gänge verbunden waren. Dicke Moosgewächse und Lianen hingen in zottigen Flechten herab. Die Türme endeten oben in unzähligen Dächern und Spitzen; seltsam verdreht schraubten sie sich in die Wolken. Im Zentrum der Festung befand sich die Graue Halle, der vollständig aus Eisen gefertigte Thronsaal des Todesfürsten Achest. Die Mauern der Festung mit den übergroßen Fenstern erweckten das Bild eines Totenschädels, in dessen Mitte wie ein weit aufgerissener Mund ein hohes, vergittertes Tor klaffte. Von dort wand sich inSerpentinen ein breiter Weg hinunter in die Schlucht, die sich zu einer ausgedehnten Hafenanlage weitete.
    Der Habicht näherte sich einem der Türme, der im unteren Bereich Nagathas und weit entfernt von der Grauen Halle stand. Plötzlich wurde der Vogel von einer heftigen Windböe erfasst. Sie riss ihn aus seiner Flugbahn und schleuderte ihn auf eine scharfkantige Zinne zu. Wild mit den Flügeln schlagend konnte er sich kurzzeitig fangen. Doch der stürmische Wind machte ein Weiterkommen unmöglich, er würde ihn unweigerlich wieder gegen die Festung werfen. Der Habicht legte die Flügel an, um möglichst wenig Widerstand zu bieten, und ließ sich fallen, jagte nun wie ein Stein dem Abgrund entgegen. Im letzten Moment spreizte er die Schwingen und fing den Sturz ab, schwang sich wieder in die Luft und erreichte das höher gelegene steinerne Geländer einer Balustrade. Durch den Schwung glitt er noch ein Stück weit über die Brüstung, bevor er endlich zum Stehen kam. Den Schnabel leicht geöffnet, hielt er mit bebender Brust inne – fürs Erste war er hier in Sicherheit.
    Das Pfeifen des Windes war nun abgeklungen. Stattdessen erfüllte ein dumpfes Grollen die Luft. Es rührte von den gewaltigen Vulkanen her, die auf Caithas Dun aktiv waren. Ihre Lavaströme erzeugten einen unheimlichen roten Widerschein unter der schwarzen Wolkendecke.
    Der kleine Habicht drehte den Kopf und musterte mit seinen scharfen Augen die Umgebung. Die Räume und Gänge der Festung ringsum schienen verlassen zu sein. Nirgendwo brannte Licht, nicht einmal die Bewegung eines Schattens war zu sehen. Auf der rechten Seite ging die Mauer des Turms in eine steile Felswand über, die zum Narnen-Meer hin abfiel, dessen graue Fluten weit unten gegen die Klippen brandeten. Linksführte ein morscher Holzsteg zu einem hohen, nadelförmigen Gebäude, von dem sich Gänge und Brücken über schwindelerregende Abgründe zu anderen Türmen hinüber schwangen. Hinter dem Vogel befand sich ein verlassener Raum im Turm, dessen Türen geschlossen waren, dennoch strahlte eine große Kälte aus ihm nach draußen. Der Habicht wollte sich eben abwenden, um sich auf eine höhere Ebene der Festung zu schwingen, als ein Schatten auf ihn fiel. Ein heiseres Kreischen und hohes Sirren erfüllte die Luft, die plötzlich erfüllt war vom Gestank verwesenden Fleisches. Stählerne Klauen schossen heran, um den Vogel zu zerfetzen. Wäre er kein Habicht gewesen, hätte ihn der Angriff wohl überrascht und er wäre getötet worden, so aber ließen ihn seine Reflexe nicht im Stich. Er duckte sich, stieß sich von der Balustrade ab und ließ sich abermals wie ein Stein in die Tiefe fallen.
    Ein grauenvoll anzusehendes Geschöpf, nicht größer als zwei Armlängen, stürzte sich ihm hinterher. Es hatte den Körper einer Schlange. Aus seinem schuppigen Leib ragte eine Vielzahl spitziger Flügel hervor, deren schnelle Bewegungen das durchdringend sirrende Geräusch verursachten. Vier kräftige, aber verstümmelte Beine endeten in scharfen Krallen, die mit metallischem

Weitere Kostenlose Bücher