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Requiem fuer einen Henker

Requiem fuer einen Henker

Titel: Requiem fuer einen Henker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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Speerspitze des deutschen Journalismus, Grabert schreibt wöchentlich eine Kolumne, in der er sich um die politische Moral der Deutschen kümmert und vor dem allgemeinen Verfall warnt. Damit wir alle auch präzise wissen, was er meint, bringt er Schmuddelgeschichten aus Bordellen und titelt sie so: Wie Freudenmädchen Katharina S. (23) die große Liebe fand, oder: Ich war meinem Zuhälter hörig, bis Horst (31) kam!
    »So ein Interview kriege ich nie, wenn der Mann nicht krank ist.«
    »Sie kriegen es. Wenn es überhaupt einer kriegt, dann Sie.«
    Er war lästig, ich wollte ihn loswerden und sagte: »Na gut.« Dann hängte ich ein.
    Krümel sprang auf den Schreibtisch und starrte mich vorwurfsvoll an. Mit Hilfe alter Kissen und einer noch älteren Pferdedecke hatte ich ihr sechs Tage lang an den besten Stellen im Haus immer neue Nester für ihre Niederkunft gebaut. Sie hatte an allen gerochen und sich gelangweilt abgewendet.
    »Ich baue für dich und die Kleinen ein Nest unter dem Schreibtisch«, erklärte ich ihr jetzt. »Da bist du immer bei mir und kannst deine Jungen auch mal alleine lassen, in Ordnung?«
    Sie streckte die rechte Vorderpfote vor und leckte sie genüsslich ab. Sie wollte mehr, und offensichtlich wusste sie, dass ich das wusste.
    »Aber auf dem Schreibtisch geht das nicht«, wehrte ich mich. »Das musst du verstehen … Und jetzt scher dich weg, ich muss für dein Fressen etwas tun.«
    Aber sie blieb sitzen, starrte mich an und leckte sich schließlich den Bauch. Dann seufzte sie tief und legte den Kopf auf das Telefon. Schwangere Katzen sind nur schwer zu ertragen.
    Ich schob sie beiseite und rief im Bonner Familienministerium an. Es war gar nicht schwer, diesen Blechschmidt an den Apparat zu bekommen. Er hatte eine ganz sympathische Stimme.
    Ich legte meine Karten sofort auf den Tisch. »Das ist fast peinlich privat. Ich heiße Baumeister, bin Journalist und habe den Auftrag, ein Interview mit Ihnen zu machen. Es geht um Ihre Lebensgefährtin, die Dame aus Thailand.«
    Ich hielt es für das Beste, gerade auf das Ziel loszugehen, und hatte dabei die berechtigte Hoffnung, er werde mich auf zivilisierte Weise zum Teufel schicken und den Hörer einhängen.
    Stattdessen lachte er und sagte: »Ich habe mich schon gefragt, wie lange es noch dauert. Na gut, besuchen Sie mich zu Hause. Am besten heute Abend, da habe ich Zeit. Sagen wir um acht zum Abendessen, passt Ihnen das?«
    »Danke«, sagte ich verblüfft. Ich notierte die Adresse und bedankte mich noch einmal artig. Dann ging ich den Honig in der Küche an. Es dauerte fast eine Stunde, und anschließend gab es dort kein Möbelstück, das nicht klebte. Schließlich zog ich die Ackerkluft an und begann die Briketts zu stapeln, die natürlich doch zum größten Teil vor der Einfahrt lagen. Das war trostlos, bis ich mir fest einbildete, es trainiere die Muskeln und mache meine Bauchdecke wieder jugendlich und fest.
    Krümel hatte sich hoch auf einen Stapel Buchenholz gehockt und sah mir zu. Ab und zu leckte sie sich über den Bauch, um ihren ungeborenen Jungen wärmende Mutterliebe zu geben. So brachten wir den Tag hin, bis ich gegen Abend badete und mich landfein machte.
    Über Adenau fuhr ich ins Ahrtal ein, dann die endlosen Kurven bis Altenahr und über die Höhen zum Autobahnkreuz Meckenheim. Es hatte keine Minute aufgehört, in feinen, eindeutig grauen Tropfen zu regnen. Inzwischen schwelgte die Landschaft in Düsternis, sie schien aufgehört haben zu atmen, es gab nirgends klare Horizonte. Um nicht von der ganzen Trübsal angesteckt zu werden, schob ich ein Band von Harry Belafonte ein. O Island in the sun …
    Blechschmidt wohnte in einem der modernen Blocks auf den Äckern am Südrand der Stadt. Er war ein auffallend schlanker Mann, um die fünfzig, und begrüßte mich mit wachsamer Zuvorkommenheit. Ein bisschen erinnerte er mich an einen freundlichen Habicht, der allerdings genau wusste, was er wollte. Er trug einen teuren dunkelgrünen Samtanzug über einem grauen Rollkragenpullover, und mir kam er vor wie jemand, der kein bisschen Angst vor dem Alter hat.
    Er bat mich in einen Wohnraum, der etwa so groß war wie ein halber Tennisplatz, dabei aber durchaus kultiviert wirkte. Bei der Einrichtung war man offenbar nach der Devise vorgegangen: Man muss nicht über Geld reden, man kann es auch in Möbeln anlegen.
    »Setzen Sie sich, wohin Sie wollen«, sagte er mit seiner angenehmen Stimme und strich sich eine silberne Haartolle aus der Stirn.

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