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Requiem fuer einen Henker

Requiem fuer einen Henker

Titel: Requiem fuer einen Henker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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Pressefritzen jetzt schon unsere Leichen?« Er stand plötzlich im Licht. Er hatte ein sehr rotes Gesicht, eine von der Grippe fast violette Nase und trug eine Art Pepitahut. Er war ein kleiner, kugeliger Mann. Er kam durch den Kreis auf mich zu und starrte mich aus irritierenden Augen an. Es waren Echsenaugen, schmal und gelbgesprenkelt. Die Lider senkten sich unendlich langsam und hoben sich genauso langsam wieder.
    »Ich gehe wirklich spazieren, und hier ist mein Presseausweis«, sagte ich.
    Er nahm den Ausweis, sah uninteressiert hinein, gab ihn mir zurück und schniefte: »Guttmann. Ich mache die Mordkommission. Ich brauche wohl nicht erst zu fragen, ob Sie vorher schon hier waren oder vorbeigekommen sind und Ihnen irgendetwas aufgefallen ist?«
    »Nein.«
    »Hm. Diese Geschichte hier ist eine kleine, miese, brutale Sache, und Sie werden sie nicht einmal lokal auswerten können. Zehn-Zeilen-Meldung, mehr nicht.«
    »Ich will sie ja gar nicht auswerten, ich mag Arbeit eigentlich nicht. Aber wer ist der Tote überhaupt?«
    »Weiß ich noch nicht.« Er machte eine Pause, und ich dachte, er könnte hervorragend die deutsche Stimme des John Wayne sein.
    »Er sieht jedenfalls aus wie ein Penner. So wie er da auf dem Bauch liegt, haben wir ihn auch gefunden. Jemand hat ihm den Schädel eingeschlagen, vermutlich mit dem Stein, der daneben liegt. Die Flasche, aus der sie gesoffen haben müssen, liegt auch noch daneben.«
    Hoffentlich war er wenigstens richtig weggetreten, als es passierte, dachte ich. Der arme Kerl, der hier in einer derart ungemütlichen Nacht wie ein deplatziertes Häufchen Lumpen geendet war, tat mir für einen Moment unendlich Leid. Nicht einmal jetzt interessierte sich jemand wirklich für ihn; er war nur die unwillkommene Unterbrechung eines ungeliebten Bereitschaftsdienstes. Aber ich würde mich für ihn interessieren, nahm ich mir vor, ganz privat, auch wenn hier ganz bestimmt keine Story zu holen war.
    »Ich lasse die Spurenfritzen erst zu Ende werkeln«, murmelte Guttmann. »Dann drehen wir ihn um.«
    Das dauerte noch gute zwanzig Minuten, und ich erfuhr inzwischen von Guttmann, dass er böse sechsundfünfzig Jahre alt war, seit vierzehn Tagen eine schwere Grippe hatte und seit eben diesen vierzehn Tagen seine Frau kaum gesehen hatte.
    »Na, kommen Sie«, sagte er gutmütiger, als ich ihm bei seinen kalten Augen zugetraut hätte, »Sie sollen auch nicht leben wie ein Hund.« Dann ging er vor mir her zu der Leiche hin und fragte laut in die Runde: »Alles okay, kann ich ihn umdrehen?«
    Irgendwelche Männer brummten aus dem Dunkel ein verdrießliche »Ja«, und Guttmann beugte sich nieder und griff den Toten an der Schulter und am Oberschenkel. Dann wuchtete er ihn mit einer einzigen, überraschend geschickten Bewegung herum.
    »Du lieber Himmel, der stinkt wie eine Fuselfabrik.« Er drehte sich zu mir um. »Sehen Sie? Ein Penner! Sagte ich doch.«
    Der tote Mann hatte einen Dreitagebart und sah ungeheuer friedvoll aus. Er mochte fünfundvierzig oder fünfzig Jahre alt geworden sein.
    »Ihr könnt jetzt fotografieren«, sagte Guttmann.
    Ich nahm die Nikon AF aus der Tasche, die ich immer mit mir herumtrage, und fotografierte das Gesicht des Toten.
    »Wie kommt eigentlich um diese Zeit ein Penner ausgerechnet hierher?«
    »Das ist nichts Besonderes«, erklärte Guttmann. »Ein paar von denen ziehen ständig am Rhein entlang. Das sind wahrscheinlich die einzigen Bundesbürger, mit denen unsere Abgeordneten in direkten Kontakt kommen. In Bonn gehen sie in die Tiefgarage, weil es draußen zu kalt ist. Der hier hat es eben nicht mehr bis dahin geschafft. Nach dem kräht garantiert kein Hahn mehr. Sind die eigentlich praktisch, diese kleinen Kameras?«
    »Sehr. Alles automatisch. Werden diese Penner registriert?«
    »Die sind alle registriert. Wenn nicht bei uns, dann in den Nachbarcomputern. Die Brüder kennen wir, die machen erkennungsdienstlich keine Schwierigkeiten. Kann ich dem jetzt an die Figur, Jungs?«
    Einer der Fotografen nickte, und Guttmann klappte vorsichtig das uralte, braune Jackett des Toten auf.
    »Sieh mal an, sogar eine Brieftasche. Noch dazu eine gute aus Leder. Und wer sagt’s denn, der Junge hatte sogar einen Ausweis.« Er blätterte in den Papieren. »Wollen Sie mitschreiben?«
    Ich wollte ihn nicht enttäuschen und wenigstens irgendwie wie ein Pressefritze agieren. Also holte ich einen Block aus der Tasche, zückte den Kugelschreiber und murmelte: »Dann diktieren Sie

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