Rettet unser Geld
hätte mich nicht gewundert, wenn die politisch korrekte Klasse eine öffentliche Bücherverbrennung inszeniert hätte, wo im flackernden Flammenschein ein Transparent über den Köpfen geschwebt hätte, auf dem zu lesen gestanden hätte: »Diese Bücher waren überhaupt nicht hilfreich.«
Im September 2010 kam ein weiterer Maulkorb-Fall hinzu, als die Präsidentin für den Bund der Vertriebenen Erika Steinbach zwei Kollegen in Schutz nahm, die ihre Meinung zum Kriegsausbruch im September 1939 kundgetan hatten. Die parteiübergreifende Empörung darüber erfasste auch ihre eigene Partei, die CDU/CSU, die ihr in Gestalt von Fraktionsvize Andreas Schockenhoff vorwarf, mit ihrer Feststellung eine »rote Linie« überschritten zu haben. Diese besteht offenbar darin, dass man bestimmte Zusammenhänge nicht herstellen darf.
Bei uns in Deutschland darf man Vieles nicht, vor allem nicht bestimmte Sachverhalte miteinander vergleichen, und es gibt noch eine Menge andere »rote Linien«, über die man stolpert, wenn man sich unvorsichtig auf tabuisiertes Terrain begibt. Thilo Sarrazin etwa hat die Performance von ethnischen Gruppen miteinander verglichen und offizielle Statistiken herangezogen - sein Ergebnis lautete, dass der Vergleich die einen in besserem, die anderen in weniger gutem Licht erscheinen ließ. Der Vergleich führte also zur Unterscheidung. Aber Unterscheidung, so sagten sich die Zensoren, ist das nicht das deutsche Wort für »Diskriminierung«? Thilo Sarrazin wagte es, eine Minderheit zu diskriminieren! Blind vor Zensurwut übersah man, dass jede Art von Denken das Vergleichen und Unterscheiden voraussetzt - es vergleicht Schlüsse und unterscheidet Richtig von Falsch. Wer nicht vergleichen darf, der darf nicht denken. Ist es das, worauf abgezielt wird?
Der Bundestagsabgeordnete Martin Hohmann wurde 2003, auch auf Angela Merkels Drängen hin, abserviert, weil er den Begriff »Täternation« ad absurdum führen wollte. Sie nannte seine Aussagen »unerträglich«. Auch dieses Wort hat es, wie das »nicht hilfreich«, in sich. Es lässt nämlich offen, warum man etwas nicht ertragen kann: Für einen Menschen mit
Sonnenlichtallergie etwa ist Sonnenlicht unerträglich. Keiner würde deshalb auf die Idee kommen, Sonnenlicht per se als unerträglich zu bezeichnen. Bezeichnet man eine bestimmte Aussage als unerträglich, insinuiert man damit, dass es schlechthin unerträglich, das heißt: nicht zu tolerieren sei. Man ist ja sonst immer tolerant, aber wenn einer etwas »Unerträgliches« sagt, hört die Toleranz auf.
Doch eine Toleranz, so muss man leider schlussfolgern, die wahlweise darüber entscheidet, was nun in ihren Geltungsbereich fällt und was nicht, ist in Wahrheit Intoleranz. Das Argument, dass man mit bestimmten Aussagen Gefühle verletzt und die Erinnerung an Menschen verunglimpft, müsste dann auch gelten, wenn jemand, sagen wir, die Persönlichkeit Mohammeds mittels Karikaturen durch den Kakao zieht, was ganze Nationen in Aufruhr brachte. In diesem Fall ließ es sich Bundeskanzlerin Merkel nicht nehmen, dem dänischen Karikaturisten Kurt Westergaard für seine mutige Tat einen Medienpreis zu überreichen. Thilo Sarrazin konterte witzig, er erwarte, dass Frau Merkel ihm in ein paar Jahren ebenfalls einen Preis für Meinungsfreiheit überreichen werde - »wenn sie dann noch Kanzlerin ist«.
Das Folterwerkzeug, das man all jenen vorzeigt, die gegen Tabus anzugehen wagen, nennt sich »Moral«. Wer gewisse Dinge leugnet und andere behauptet, wer Dinge miteinander vergleicht oder alte Maßstäbe durch neue ersetzt, der wird moralisch abqualifiziert. Martin Walser nannte das die »Moralkeule«. Als er den Begriff 1998 bei seiner Dankrede zur Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels einführte, lag der »Fall Jenninger« schon zehn Jahre zurück. Im November 1988 hatte der damalige Bundestagspräsident Philipp Jenninger zum 50. Jahrestag der sogenannten »Reichskristallnacht« eine Rede gehalten, die von den Hörern als »schuldrelativierend«
eingestuft wurde. Prompt bekam er mit der »Moralkeule« eins auf den Kopf.
Im Zusammenhang mit dem »Fall Sarrazin« hat der Journalist Volker Zastrow an jenen Skandal erinnert, der auch zu Jenningers Kaltstellung samt Maulkorberlass führte. »Am Bundestagspräsidenten wurde demonstriert«, schrieb Zastrow am 13. September 2010 in der FAZ , »dass nicht zählt, was einer gemeint hat, sondern ob man es ihm erfolgreich verdrehen kann«. Zastrow
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