Rettungskreuzer Ikarus Band 001 - Die Feuertaufe
Lächeln auf ihn zu, die flehentlichen Bitten seines »Patienten«
ignorierend. Fast als wolle er nur einen Blinddarm operieren, plauderte er angenehm
vor sich hin. Er hörte dem sich in den Fesseln aufbäumenden Mann gar
nicht zu. Anande bekam noch mit, wie ihm der Kopf kahl rasiert wurde, dann erhielt
er eine schmerzhafte Injektion. Das freundlich lächelnde Gesicht Dr. Nortons
verschwamm vor seinen Augen. Sein Widerstand erlahmte. Sein Körper erschlaffte.
Er versank in einen tiefen, traumlosen Schlaf.
Er realisierte nicht, wie sein Gehirn gescannt, die Schädeldecke geöffnet
wurde. Er spürte nichts vom harten Schnitt des Laserskalpells, das von
Dr. Norton fachmännisch und ohne emotionale Bewegung angesetzt worden war.
Er spürte nicht, wie ihm Teile seines Gehirns fein säuberlich ausgebrannt
wurden. Als seine Erinnerungen zusammen mit den Ganglien aus seinem Kopf entnommen
wurden, lag er immer noch in einem bodenlosen Nichts. Als er erwachte, verspürte
er nicht einmal Kopfschmerzen. Er stand mit einem Scheck über drei Monatsgehälter
und seiner Kündigung vor dem Hauptgebäude des Konzerns und kratzte
sich verwirrt am Kopf.
Er konnte sich nicht erinnern, was passiert war. Er beschloss, nach Hause zu
fahren und sich etwas auszuruhen.
Leider merkte er erst in seinem Gleiter, dass er völlig vergessen hatte,
wo er eigentlich wohnte.
So endete die medizinische Karriere von Dr. Jovian Anande.
Das Feuer brannte in hellweißer Glut. Der Schein spiegelte sich auf dem
glatten Plast des Raumhelmes, hinter dem das verbissene Gesicht von Chief Sonja
DiMersi nur undeutlich zu erkennen war. Der Feuerschein kam von den Resten des
Fusionsmeilers der Oremi , das Raumboot des Freien Raumcorps trieb ohne
aktives Triebwerk am Rand des Orinaar-Systems führerlos durch das Weltall.
Neben Chief DiMersi lag die verkrümmte Leiche des Triebwerkstechnikers,
der den Atombrand bemerkt hatte, aber nicht mehr rechtzeitig in den Raumanzug
gekommen war, sein völlig verstrahlter Körper lag hinter der dünnen
Schutzwand, die zwar die Hitze, jedoch nicht die mörderische Radioaktivität
abgehalten hatte. Das automatische Löschsystem funktionierte nicht und
mit dem Handlöschgerät hatte Sonja DiMersi den Atombrand nur kurz
aufhalten können, die Kettenreaktion konnte durch die chemische Verbindung
nur eingeschränkt, jedoch nicht gestoppt werden; nichts, nicht einmal das
Vakuum, konnte sie beenden.
Im Helmfunk des schweren Strahlenschutz-Raumanzuges hörte sie die hektischen
Befehle des Kommandanten. Die Besatzung war sofort nach dem Alarm in die Anzüge
gesprungen und, nachdem das katastrophale Ausmaß des Schadens im Maschinenraum
offensichtlich war, in die Beiboote gestürzt. Nur noch eine Rettungskapsel
war übrig geblieben, und von draußen hörte Sonja die Stimme
des Captains, der sie aufforderte, die sinnlosen Bemühungen einzustellen
und sofort die Kapsel aufzusuchen.
Sonja DiMersi dachte nicht daran. Mit einem Ruck warf sie das entleerte Handlöschgerät
fort, griff sich ein Zweites. Der dünne Nebel legte sich über die
weiße Glut, die sich durch die Wände fraß und schien sie für
einen Augenblick einzudämmen. Doch das war eine Illusion. Der Brand griff
nach dem Leichnam des Technikers und ließ ihn sich in Sekundenschnelle
auflösen. Sonja machte einige Schritte zurück. Der Anzug machte sie
schwerfällig und das Dosimeter mit der Strahlenmessanzeige zeigte schon
viel zu lange rote Werte. Doch das war ihr egal, denn sie hatte beschlossen,
mit dem Schiff zu sterben. Die Löschanlage war außer Betrieb gewesen,
weil sie, die Chefingenieurin des Raumbootes, die Zeit über Tage vertrödelt
hatte. Sie hatte alles getan, um die notwendigen und langweiligen Reparaturen
zu verzögern. So hatte sie lieber mit den anderen Mitgliedern der reichlich
heruntergekommenen Mannschaft gepokert oder schlechte Holostreifen angeschaut,
in der Zuversicht, dass schon nichts passieren würde.
Eine trügerische Zuversicht, wie sie jetzt feststellen musste. Ein Toter,
drei Verletzte und wahrscheinlich eine bis übers Limit verstrahlte Mannschaft,
das war die Bilanz ihrer Nachlässigkeit. Sie würde dafür bezahlen
müssen, und genau das hatte sie jetzt vor.
»Sonja!« Die Stimme brach hart aus den Lautsprechern in der Innenseite
ihres Helms. Sonja zuckte zusammen. Es war die Stimme des Captains gewesen,
und da sie so klar war, musste
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