Rettungskreuzer Ikarus Band 027 - Memento Mort
in tiefem Schlaf befand.
Trotzdem sie bereits vor ihm die Schlafstätte heimgesucht hatte. Er hatte
sich mit Büchern geplagt, sich auf die heutige Sitzung vorbereitet. Sie
wussten beide, was auf dem Spiel stand. Es war nicht so sehr das persönliche
Ansehen, Privilegien, die ein bessere Stellung sicher mit sich bringen würde,
es war mehr die Bestätigung der langen Stunden, die er im Labor verbracht
hatte, die Anfeindungen der Masse seiner Kollegen, die wenigen Freunde ... Es
war so lächerlich. Schließlich musste doch allen klar sein, das nur
ein gesundes Miteinander zu einem guten Ausgang für alle würde führen
können. Aber sie waren so verbohrt, dachten so engstirnig.
Ein schiefes Lächeln umspielte seine Lippen. Als ob er anders wäre.
Aber er hatte Shan, die liebende und liebevolle Shan, die ihn immer wieder auf
den Boden der Tatsachen zurück holte, die mit ihm diskutierte, die, obwohl
seiner Forschung eher abgeneigt, ihn doch immer wieder voran schob, ihm trotz
allem den Rücken freihielt, ihm die Geborgenheit und Wärme schenkte,
die er überall anders vermisste. Seine Gefährtin gab ihm das alles
und sie hatte ihm Rablan geschenkt.
Seinen Sohn. Mit seinen drei Jahren noch von dichtem Fell bedeckt, aber das
würde sich schnell verlieren und war gleichzeitig die größte
Furcht, die er vor der Sitzung hatte. Gäben sie ihm Recht und einen Auftrag,
der seinen Fähigkeiten, seinen Kenntnissen entsprach, dann bestand die
Gefahr der Trennung. Vielleicht dürfte er eine der vielen Stationen besuchen,
sich dort einrichten und forschen. Es sollte dort Möglichkeiten geben von
man denen hier, auf Tarendi, kaum zu träumen wagte. Planeten, deren Rohstoffe
zur Gänze der Forschung dienten. Natürlich unbewohnbare Planeten,
atmosphären- und leblos. Totes Gestein, wie sie sagten. Als ob sie es nicht
hätten besser wissen müssen.
Er streckte sich langsam und schob dabei die dünne Faserdecke von ihrem
breiten Schlafmoos. Leicht ließ er seine rechte Hand auf die schmale Hüfte
Shans sinken, zärtlich streichelte er über die warme Haut. Ein leises
Zittern verriet ihr Erwachtsein. Ihr gemurmeltes »Was tust du?«, eine
rein rhetorische Frage, fasste er als Auffordern auf weiterzumachen. Die Hand
tiefer wandern zu lassen, sich gleichzeitig näher an sie zu schieben, ihren
warmen Schlafgeruch einzuatmen und mit der zweiten Hand ihren Kopf zu dem seinen
zu ziehen und einen langen Kuss zum Beginn eines neuen Tages, vielleicht auch
den Beginn eines neuen Lebens werden zu lassen.
Shan hob Rablan aus seinem Nest bevor sie Nirat in ihre Nasszelle folgte. Ihr
Gefährte stand bereits im Becken und rieb sich an den diversen Schwämmen
und Steinen, die in der natürlichen Quelle ihrer Behausung wuchsen und
gediehen. Er pfiff dabei eine ihr unbekannte Melodie.
»Was singst du da?«
»Eine Begrüßungslied für den neuen Tag. Für dich.
... Für Rablan«, fügte er hinzu, als er sich ihr zuwandte und
den Kleinen gewahrte. Er streckte die Arme aus und langsam ließ sie ihren
Sohn in die Hände seines Vaters gleiten. Dann stieg auch sie in das warme
Quellwasser.
»Du warst gestern noch lange beschäftigt. Ich habe dich gar nicht
mehr gehört.«
»Du kennst mich doch, Shan«, Nirat schaukelte seinen Sohn in der Armbeuge
seines linken Arms und hob die rechte um seiner Gefährtin über die
Wange zu streicheln. »Trurls Werke waren, wie immer, eine Fundgrube an
Rhetorik und Wissen. Und ich bin mir nicht sicher, was davon heute notwendiger
sein wird.«
»Als ob es dir jemals an Wissen mangelte.« Shan lächelte bei
ihren Worten und rieb nun ihrerseits ihren Rücken an den Schwämmen,
die, kleinen Saugnäpfen gleich, ihre Haut, die dünne Körperbehaarung
durchdringend, massierten und endgültig den letzten Rest Schlaf vertrieben.
»Und Rhetorik ...«
Nirat gab den Kleinen, der immer noch wohlig brummelnd im Halbschlaf dämmerte,
an seine Gefährtin und schüttelte den Kopf.
»Natürlich ist mein Wissen nicht gering einzuschätzen. Ich weiß,
was ich weiß. Was mir Sorgen bereitet, sind die Vertreter dieses radikalen
Naturalismus, die ich so wenig einzuschätzen weiß. Ich verstehe jeden
Tomakk, so wie ich ja auch dich verstehe, der soweit als nur irgend möglich
an und mit der Natur leben möchte. Der sie am liebsten gar nicht unseren
Zwängen unterwerfen möchte. Aber auch du siehst doch ein, dass dies
nicht immer
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