Revelations
gehen! Stattdessen drückt er in dieser großen, sicariianischen Musterstadt die Schulbank und wird von vorne bis hinten verhätschelt!«
In diesem Moment reichten ihr die verärgerten Rufe der anderen Gäste. Sie drehte sich um und brüllte in Richtung der Theke, dass der zweite Kellner seinen fetten Arsch bewegen solle, der seit einiger Zeit mit einer leicht bekleideten Frau flirtete, anstatt zu arbeiten.
»Wann kommt er denn zurück?«, fragte Cassidy.
Betty überlegte einen Augenblick und benutzte dabei ihre dicken Finger zum Rechnen.
»Einen Monat und siebzehn Tage. Dann darf ich ihm zum dritten Mal beibringen, was es bedeutet, für einen vollen Bauch schuften zu müssen!«
Cassidy wollte gerne mehr über den Verbleib der Kinder wissen, bevor sie jedoch nachfragen konnte, hielt Angel sie mit einem strengen Kopfschütteln zurück. Betty wirkte ohnehin schon misstrauisch genug.
»Was seid ihr eigentlich für Leute?«, fragte sie neugierig. Angel wusste, dass sie vor der wahrscheinlich größten Schwätzerin von ganz Arnac saß und dementsprechend vorsichtig sein musste.
»Wir ... sind Händler. Aus dem Westen«, antwortete sie gewohnt ungeschickt, was Dog zu einem resignierten Augenrollen verleitete.
»Pah!«, erwiderte Betty lachend. »Wenn ihr Händler seid, dann bin ich die Frau des Imperators!«
Sie blickte verstohlen in den Raum und beugte anschließend ihren Kopf über den Tisch, um im Flüsterton weiterzureden.
»Ich hab von eurer Ankunft gehört!«
Das genügte Angel, um ihren Kampfdolch unbemerkt aus dem Unterschenkelholster zu ziehen. Auch Dog verstand die plötzliche Wendung und machte sich bereit, als Rammbock für einen schnellen Abgang zu sorgen.
»Wir alle kennen die Gerüchte über den drohenden Aufstand und die Verräter, die dahinterstecken! Ihr seid doch bestimmt hier, um die zu jagen!«
Zum Glück hatte Angel tausende Male ihr Pokerface vor dem Spiegel geübt. Andernfalls wären ihr in diesem Augenblick wohl sämtliche Gesichtszüge entgleist.
»Du scheinst eine Menge zu wissen«, flüsterte Dog so konspirativ er nur konnte. Daraufhin erschrak die fette Kellnerin so sehr, dass Angel beinahe zugestochen hätte, um sie an einer lautstarken Flucht zu hindern.
»Ich bin eine loyale Bürgerin!«, protestierte Betty und holte zur Bestätigung einen hölzernen Anhänger mit dem Konterfei des Imperators zwischen ihren riesigen Brüsten hervor. Dabei musste sich Dog unglaublich zusammenreißen, um auf das Schmuckstück und nicht in den freigelegten Ausschnitt zu starren.
»Vielleicht weißt du dann ja, wo wir die wahren Verräter finden können«, sagte Angel und trat gleichzeitig ihrem Liebhaber ans Schienbein.
»Nadim, der Händler, hat viel mehr Geld, als sein kleiner Gewürzladen abwerfen kann«, antwortete die Kellnerin mit erhobenem Zeigefinger. »Ich habe gehört, dass bei ihm ständig Leute ein und ausgehen, ohne jemals etwas zu kaufen!«
»Wo finden wir diesen Nadim?«
»Tagsüber in seinem Haus, aber die Abende verbringt er häufig in der Arena«, erwiderte Betty und zeigte dabei auf eine Treppe, die zu einem Hinterausgang der Taverne auf Höhe des zweiten Stocks führte. »Ihr erkennt ihn an seiner schwarzen Haut und dem Turban, den er in der Öffentlichkeit nie ablegt!«
Angel hatte genug gehört und wollte aufbrechen. Sie steckte ihr Messer zurück und holte abgezählte dreißig Sicar hervor, die sie der Bedienung in die Hand drückte und dabei möglichst verschwörerisch zu wirken versuchte.
»Für deine Dienste«, hauchte sie ihr zu.
Kaum war Betty mit dem Geschirr verschwunden, bahnten sich die drei ihren Weg durch die völlig überfüllte Taverne und die Treppe hinauf. Vor der Tür standen zwei muskelbepackte Kerle mit verschränkten Armen, von denen einer wie selbstverständlich die Hand aufhielt.
»Fünf Sicar«, grunzte er. Angel griff abermals in den Lederbeutel und stellte dabei beunruhigt fest, dass sich ihre Geldreserven dem Ende zuneigten.
»Für jeden von euch!«, fügte der andere Türsteher hinzu, und da sie nicht noch mehr auffallen wollte, bezahlte Angel kurzerhand den Preis. Ihre Großzügigkeit schien sich schnell herumgesprochen zu haben, denn die beiden Muskelprotze grinsten einander freudig an, als sie den Fremden die Tür öffneten.
Ein schmaler Spalt genügte bereits, um das euphorische Geschrei dutzender Zuschauer und die schmatzenden Schläge der Kontrahenten zu hören. Die obere Etage des Anbaus diente als Besuchertribüne, während sich
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