Revelations
sich aufrichtig über Angels Fortschritte bei der Bekämpfung ihrer Phobie, aufgrund derer sie häufig lange Umwege hatten in Kauf nehmen müssen. Irgendwie schien Caiden mit seiner Behauptung, dass sie alle einmal Faith ihr Leben schulden würden, Recht zu behalten.
Die größte Herausforderung der Kletterei bestand darin, Sharon festgeschnallt in ihrem Gurtzeug auf den Berg zu befördern, ohne sie an den scharfkantigen Felsen zu verletzen. Dazu verteilten sich Cole, Faith, Kim und die beiden Geschwister zur Sicherung entlang des Aufstiegs, während Dog das Fliegengewicht mit seinen Bärenkräften spielend leicht hochzog.
Nach ein paar Stunden hatten sie es geschafft und der goldbraun leuchtende Bergrücken war erreicht. Wehmütig blickten sie in der Abendsonne auf das bezwungene Gebirge im Süden, dass ihnen neun Tage lang unendliche Mühen abverlangt hatte und nun hoffentlich ihre Freunde vor den neugierigen Blicken der Sicarii versteckt hielt.
Im Norden erwartete sie das unwirtliche Feindesland aus vertrockneten Berghängen und ausgedorrten Ebenen. Bereits vom Gipfel aus waren die ersten Ausläufer der Schlucht zu erkennen, an der sie sich laut Jades Weisung orientieren sollten. Sie hatte ihren Ursprung in einer kleinen Felsspalte und diente in besseren Zeiten als Flussquelle, dessen Gletscherwasser eine Furche quer durch das Land schnitt. Die vermeintliche Brücke konnte Angel nicht mal mit Hilfe ihres Zielvisiers entdecken. Es gab auch keine ausgebauten Straßen in der Umgebung, die ihnen die Reise erleichtern würden. Die Autobahn von der zerstörten Stelzenbrücke musste in einem der Täler von der Bahnstrecke abgewichen sein. Lediglich die einsamen Eisenbahnschienen schlängelten sich ein paar Kilometer unterhalb ihrer Position aus den Felsen heraus und verschwanden in Richtung Nordwesten; direkt ins Sicariigebiet.
Nachdem die gesamte Ausrüstung sicher oben angekommen war und die Sonne unterging, erklärte Angel die Etappe erleichtert für beendet. Das ganze Team stimmte zu, dass sie sich nach der anstrengenden Kletterei eine romantische Nachtruhe auf der Spitze des Bergrückens verdient hatten. Faith gab zum Abschluss der entbehrungsreichen Reise sogar ein kleines, melancholisches Panflötenkonzert unter freiem Sternenhimmel.
8 - Endstation
Faith tat die ganze Nacht kein Auge zu. Caiden hoffte, dass es nur die Nähe zu ihrer Heimat war, die sie wachhielt, und nicht etwa Schuldgefühle eines neuen Verrats im Eisenbahntunnel. Er setzte sich neben sie und griff nach ihrer Hand. Im Normalfall hätte Faith sie sofort zurückgezogen und ihm am liebsten quer über das Gesicht geschmettert, aber diesmal schien sie abwesend und mit ihren Gedanken weit entfernt zu sein. Erst als Caiden etwas fester zugriff quiekte sie überrascht und wäre um ein Haar zum Angriff übergegangen.
»Alles in Ordnung?«, fragte er erschrocken und schützte gleichzeitig seinen Kopf mit den Armen. Faith klopfte sich beim Aufstehen mürrisch den Sand aus den Hosen und ging ein paar Schritte an dem steilen Schutthang entlang, den sie am nächsten Tag hinuntersteigen mussten.
»Ich hab einfach keine Ahnung, was uns da drüben erwartet!«, flüsterte sie ihm zu. »Es gab unzählige Kontaktversuche mit diesen Leuten. Zuerst haben wir eine Bacchae zu ihnen geschickt. Ihr Name war Scarlet. Sie hatte denselben Auftrag wie ich bei den Vultures. Diplomatischen Kontakt herstellen bei gleichzeitiger Infiltration. Wir haben nie wieder etwas von ihr gehört und vor einem Jahr hieß es, sie wäre im Einsatz gefallen. Anschließend sandten wir ein halbes Dutzend Spione, die getarnt Informationen sammeln sollten. Kein einziger ist lebendig zurückgekehrt.«
Das abnehmende Mondlicht ließ Caiden die Gesichtszüge auf ihrer dunklen Haut nur wage erkennen, doch ihre schneeweißen Augen schienen sich der Anziehungskraft der geheimnisvollen Schlucht nur schwer entziehen zu können. Sie hielt ihre Arme vor der Brust verschränkt und kaute unbewusst am rechten Daumennagel. Das Verhör und die unerwartete Befreiung aus Brackwood hatten die einst so gleichgültige Assassine verändert. Zum ersten Mal sorgte sie sich um ihre eigene Zukunft und um ihre Rolle in einem Spiel, das sie nicht länger kontrollierte.
»Scarlet war zweifellos die beste Bacchae, die unser Programm je hervorgebracht hat. Seit ich von ihr als Schülerin ausgewählt wurde, wollte ich wie sie sein.«
»Vielleicht hat dich Jade deswegen ziehen lassen und uns gemeinsam dorthin
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