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Revelations

Revelations

Titel: Revelations Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Fischer
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1 - Nachbeben
     
     
Mit versteinertem Blick verfolgte Angel von der Spitze des großen Tigerfelsens aus, wie die Ranger den letzten Fahrzeugen des Evakuierungskonvois sichere Stellplätze zuwiesen. Nur hier, auf dem Wahrzeichen von Jaguar Bay, wo sie allein war, durfte sie ihre Maske ablegen und sich selbst einen Moment lang der schweren Niederlage hingeben.
    Wie hatte es nur dazu kommen können? Alle Freien Enklaven waren binnen weniger Wochen zerstört worden und General Monroe zusammen mit vielen Kameraden im Kampf gefallen. Nun befand sich der zerschundene Rest der Ranger unter ihrem Kommando auf der Flucht.
    Unter ihrem Kommando. Der Gedanke ließ die ehemalige Vulture mit den Augen rollen.
    Schnell rieb sie sich die deprimierte Miene aus dem Gesicht, als sie das Keuchen und die unsicheren Schritte dreier Beine hinter sich vernahm; eines davon aus Holz. Sie erkannte Paul sofort, den Bürgermeister von Eagle Village, der seit ihrer ersten Begegnung behauptete, nur knapp über siebzig zu sein. Stolz, den vierundachtzig Stufen zur Spitze der sphinxähnlichen Felsformation erfolgreich getrotzt zu haben, ging er auf den Rand zu und stützte sich vor dem Abgrund auf seinen kunstvoll verzierten Gehstock.
    »Wie viele von euch ...«, fragte er nach Luft schnappend, »sind entkommen?« Der rüstige Alte kannte Angel bereits, als sie noch mordend unter dem Banner der Vultures durch das Land gezogen war. Dementsprechend vermied er unnötige Höflichkeitsfloskeln, wenn sie allein waren.
    Ein Jahr vor ihrer Läuterung hatte sie Pauls Konvoi überfallen und ihn zusammen mit seiner Frau Martha entführt. Eigentlich war es ihr Plan gewesen, die beiden Alten gegen Waffen und Munition auszutauschen, aber der Angriff einer rivalisierenden Gang hatte Angels Vorhaben durchkreuzt. Während des Gefechts verlor sie ihr gesamtes Team und war selbst schwer verwundet worden. Damals lernte Paul ihren unerschütterlichen Kampfgeist zu schätzen, dank dem sie es bis nach Temple Town schafften. Mit ihren entzündeten Wunden blieb der stolzen Kriegerin keine andere Wahl, als sich von Paul und Martha vier Tage lang pflegen zu lassen. In dieser Zeit erhielt sie zum ersten Mal einen unverfälschten Einblick in die Struktur der Freien Enklaven, die sich als Gegenstück zu den marodierenden Banden gebildet hatten. Der alte Mann versuchte bis zuletzt, sie zum Überlaufen zu bewegen, doch dafür war sie noch nicht empfänglich gewesen. Als am vierten Abend ein Ranger-Team am Horizont auftauchte, hatte Angel sich von den beiden verabschiedet und war mit ihrem Buggy verschwunden.
    »Etwa hundertfünfzig von uns, aber nicht mehr als eine Handvoll Kämpfer«, erwiderte sie als Antwort auf Pauls Frage. Bedrückt schwenkte sie den Kopf in seine Richtung. »Wie sieht‘s hier aus?«
    »Diese Mistkerle haben keinen lebendig zurückgelassen«, fluchte er. »Was ist denn bei euch passiert? Ihr wart doch vorbereitet! Frank wusste doch genau, was da auf ihn zukommt!«
    Angel vergrub ihr Gesicht in den Handflächen und berichtete, wie die Sicarii den Verteidigungsgürtel um Silver Valley mit Hilfe von Mörserfeuer geschwächt und anschließend mit gepanzerten Kipplastern überrannt hatten. Als erfahrener Kommandeur hatte General Monroe diese Vorgehensweise zwar einkalkuliert und die Schützengräben verminen lassen, in denen die Angreifer nach Überwindung der Palisade Zuflucht suchten, aber irgendwie schafften es die Sicarii, die Zündung zu sabotieren. Noch immer sah sie Victors blutüberströmte Leiche im Staub neben den Kontrollen liegen. Sie fand keine Erklärung dafür, wie die Eindringlinge ihn in seiner getarnten Stellung hatten erwischen können.
    »Verdammt«, brummte Paul niedergeschlagen. »Dagegen ließ es sich mit euch Vultures ja richtig gut aushalten!«
    Verwundert zog Angel ihre linke Augenbraue hoch, ehe sie an seinem gezwungen lächelnden Gesicht erkannte, dass er sie lediglich aufbauen wollte. Ihm war vollkommen bewusst, welche Verantwortung nun auf ihren Schultern lastete.
    »Wie geht's Martha?«
    »Ach, du kennst doch mein Herzblatt«, wiegelte Paul ab. »Solange sie sich nützlich machen kann, blüht sie richtig auf. Momentan kümmert sie sich darum, dass die Kinder etwas zu essen und eine Decke für die Nacht bekommen.«
    »Wir können hier nicht lange bleiben, das weißt du«, mahnte Angel und fühlte sich plötzlich wie eine arrogante Göre, die einem Erwachsenen Befehle erteilen wollte. Paul spielte seine Rolle als gekränkter

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