Revenants Trilogie 01 - Von der Nacht verzaubert
Leben ausschließlich damit verbracht, ihren Tod zu rächen.«
Weil so viel Schmerz in seiner Stimme mitschwang, fragte ich: »Hast du je die beiden Soldaten gefunden, die sie getötet haben?«
»Ja.«
»Hast du ...?«
»Ja«, antwortete er, bevor ich die Frage zu Ende formulieren konnte. »Aber das hat nicht gereicht. Ich musste jeden blutdürstigen Verbrecher jagen. Selbst als die schlimmsten Besatzer und Kollaborateure erledigt waren, war ich noch nicht zufrieden.«
Es fiel mir schwer, mir Vincent dabei vorzustellen, wie er andere tötete, egal ob nun Menschen oder Revenants. Obwohl ich nun wusste, wie gut er kämpfen konnte. Ich war mir sicher, dass er und seine Anverwandten ein ganzes Heer niederstrecken konnten. Aber wer dachte ein halbes Jahrzehnt an nichts anderes als an Rache?
Dieser kalte, gefährliche Schimmer, der mich zwar angezogen, aber auch verunsichert hatte, als wir uns kennenlernten, hatte also einen Grund. Jetzt kannte ich ihn. Ich stellte mir sein Gesicht vor, vor Zorn verzerrt — und konnte bei dem Gedanken ein Schaudern nicht unterdrücken.
»Was ist los, Kate?«, fragte Vincent. »Soll ich ihr Foto abnehmen?« Ich starrte immer noch auf Hélènes Foto.
»Nein!«, sagte ich und drehte mich zu ihm um. »Nein, Vincent. Sie ist doch ein Teil deines Lebens. Es macht mir nichts aus, dass du noch an sie denkst.«
Während diese Worte über meine Lippen kamen, begriff ich jedoch, dass das gelogen war. Es machte mir sehr wohl etwas aus. Diese Frau war wunderschön. Und Vincents einzige Liebe. Selbst wenn ihre Frisur und Kleidung sie ganz klar und sicher auf ihren Platz vor siebzig Jahren verwiesen, so hatte die Erinnerung an sie dennoch seit ihrem Tod beeinflusst, was er getan oder eben nicht getan hatte.
»Das ist lange her, Kate. Manchmal fühlt es sich an wie gestern, manchmal, als wäre es Ewigkeiten her. Und es ist ja auch Ewigkeiten her. Hélène ist schon lange tot. Und ich hoffe, du glaubst mir, wenn ich dir sage, dass du keinerlei Konkurrenz hast. Weder von ihr noch von jemand anders.«
Er sah aus, als wollte er noch mehr sagen, wusste aber nicht wie. Ich drängte ihn nicht. Für mich war es völlig in Ordnung, das Thema Ex-Geliebte erst mal ruhen zu lassen. Ich nahm seine Hand und zog ihn mit. Und obwohl wir uns von den Fotos entfernten, ließ das ungute Gefühl in mir nicht nach.
»Mach’s dir bequem, ich bin gleich wieder da«, sagte Vincent und ging aus dem Zimmer. Ich schaute mir derweil seine Bücherregale an. Darin standen Bücher in allen möglichen Sprachen wild durcheinander. Die meisten englischsprachigen Titel kannte ich. Wir haben den gleichen Geschmack, was Lesestoff angeht, dachte ich mit einem Lächeln.
Auf einem der unteren Regalböden sah ich ein paar dicke Fotoalben. Ich zog eins heraus und klappte es auf. »1974-78« war von Hand auf die Innenseite geschrieben worden. Ich musste kichern, als ich es langsam durchblätterte. Vincent hatte auf den Bildern lange Haare, Koteletten und steckte in echten Hippieklamotten. Doch obwohl diese »Mode« so witzig aussah, war er doch genau derselbe schöne junge Mann, den ich heute kannte. Er hatte sich nicht verändert, nur das, was er trug, hatte sich dem heutigen Geschmack angepasst.
Auf der nächsten Seite standen Ambrose und Jules nebeneinander, der eine mit größerem Afro als der andere. Noch eine Seite weiter erkannte ich Charlotte, geschminkt im Twiggy-Style mit einem Mikro-Minikleid, neben ihr Charles, der einer jugendlichen Variante von Jim Morrison glich: zottelige Haare, nackter Oberkörper, zahlreiche Perlenketten um den Hals. Ich konnte nicht anders, als laut darüber zu lachen.
»Was ist denn so lustig?«, fragte Vincent und schloss die Tür hinter sich. Er stellte eine Flasche Wasser und Gläser auf den Tisch, dann kam er zu mir. »Aha, du hast mein Geheimversteck mit den Erpressungsfotos gefunden.«
»Zeig mir noch mehr, die sind ja unbezahlbar«, sagte ich und schob das Album wieder an seinen Platz.
Als ich mich aufrichtete, stand er direkt neben mir. »Hm, ich weiß nicht, Kate. Wenn ich meinen Stolz runterschlucke und dich noch mehr Bilder anschauen lasse, auf denen ich wie ein Clown aussehe — und das über den Zeitraum von so ziemlich dem ganzen zwanzigsten Jahrhundert —, dann kostet dich das vielleicht was.«
»Wie viel?«, hauchte ich, völlig gelähmt, weil er plötzlich so nah war. Unbewusst fuhr ich mir mit der Zunge über die Lippen.
»Lass mal überlegen«, flüsterte er. Er legte
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