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Rheinmaerchen

Rheinmaerchen

Titel: Rheinmaerchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clemens Brentano
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Wärterin hatte das Lied gehört, ich hörte sie es nochmals an der Wiege singen, ich verbot es und sendete sie fort, da kam es gar unter die Leute, und ich mußte es oft hören!
    Als Johannes mehrere Jahre alt war, pflegte er mit den Arbeitern an dem Berg herumzulaufen, und besonders war er gern in den Steinbrüchen und freute sich, wenn die großen Marmorblöcke losbrachen und mit lautem Geprassel in das Tal niederstürzten; ja er hatte eine solche Freude an dieser Arbeit, daß er in den Nächten, wo ich abwesend sein mußte und Damon träumte, als hüte er die Sterne, sich heimlich wegschlich, mit einer Lampe in dem Steinbruch herumkletterte und alle Steine hinabrollen ließ, die er bezwingen konnte.
    Eines Abends nun hatten die Steinbrecher einen ungeheuren Block schier bis zum Niederstürzen losgebrochen und verließen ihn, als es dunkel ward, mit den Worten: ‘Lassen wir ihn, er wird heute nacht durch sein Gewicht schon von selbst losbrechen’, und so gingen sie mit dem kleinen Johannes nach Haus.
    Nun aber konnte dieser seiner Begierde, den großen Marmorblock losstürzen zu sehen, nicht mehr widerstehen, und kaum schlummerte alles im Schloß, als er mit seiner Lampe zurück nach dem Steinbruch schlich. Mit gespannter Erwartung setzte er sich in eine Höhle neben den Block und hielt seine Lampe hervor, um den Block recht zu beleuchten, wenn er losstürze. Eine ganze Stunde hatte er gesessen, als die Glocke auf der Schloßuhr zwölf schlug und der Stein mit ungeheurem Geprassel niederflog und weit, weit in die Mitte des Sees stürzte, dessen Wellen mit ungeheurem Geräusch um ihn in die Höhe schlugen. Die Berge rings hallten wider, die Erde zitterte, und der kleine Johannes hatte ein namenloses Vergnügen an dem Lärm. Wie groß aber war seine Verwunderung, als er, da das Geräusch vorüber war, in seiner Nähe ein ängstliches Gewimmer hörte und, wo der Marmorblock niedergebrochen war, eine offene Höhle erblickte, in welcher einige kleine graue Weiblein ängstlich tiefer hineinflohen und eine kristallne Wiege verließen, in der ein wunderschönes Mägdlein schlief.
    Neugierig trat der kleine Johannes an die Wiege, und da er nie ein anderes Kind gesehen hatte, verursachte ihm der Anblick die größte Freude. Die kühle Nachtluft, die in die Höhle drang, erweckte die Schläferin, und sie wollte weinen; aber da wiegte sie der kleine Johannes, und sie lächelte, worüber er eine unaussprechliche Freude hatte.
    Kaum hatte er des Vergnügens einige Minuten genossen, als die kleinen grauen Frauen wiederkamen, die Wiege aufpackten und mit ihr tiefer in den Berg eilten. Johannes lief nach und gelangte endlich in eine schöne Kristallhöhle, wo eine hübsche alte Frau an einem erzenen Tisch saß und eine Menge Edelsteine vor sich hatte. Es war die Frau Erde, die ich euch schon bei meiner Großmutter beschrieben habe. Sie spielte mit ihrem Affen Schach, und alle die Figuren des Schachbretts waren lebendige Tierchen und machten allerlei artige Posituren.
    Da die Wiege hereingebracht wurde, nahm sie ihr Töchterlein, Edelsteinchen genannt, auf den Schoß, und der kleine Johannes, den sie verwundert anschaute, nahte sich unbekümmert, spielte mit dem Kind, und Frau Erde gewann ihn lieb. Sie schenkte ihm eine Menge bunter Steine und führte ihn am Morgen selbst in Begleitung ihres Töchterleins an einer andern Stelle zu Tag. Die beiden Kinder umarmten sich zärtlich; Frau Erde verbot dem kleinen Johannes, von allem, was er gesehen, zu sprechen, und lud ihn ein, jede Nacht, wenn die Mutter abwesend sei und sein Vater schlafe, sie wieder zu besuchen, und gab ihm eine Wurzel, mit der er nur den Stein, wo er jetzt hinausgehe, berühren sollte, dann würde er sogleich wieder herein können.
    Mein Söhnlein Johannes sagte uns kein Wort davon und ging wohl bis in sein sechszehntes Jahr alle Monate, wenn ich abwesend war, bei Frau Erde und ihrer Tochter zu Besuch. Als ihn aber Damon, sein Vater, einst bei einem großen Kasten voll Edelsteinen sitzen fand, und ihn erstaunt fragte, wo er alles dies her habe: wollte er es ihm nicht sagen, und als ich abends zu meinem Damon ging, fragte ich den Jüngling selbst aus. Aber auch mir verschwieg er die Quelle seiner Reichtümer. Ich ließ ihn nun nicht mehr aus den Augen, und da ich ihn nachts zu jeder Stunde auf seinem Lager fand, merkte ich wohl, daß er in der Zeit meiner Abwesenheit allein zu den Edelsteinen gelangen könnte, und bat daher meinen Gemahl, ihn am Ende des Monats,

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